Pampastour auf dem Rio Yacuma

Kaimanen, Piranhas, Anakondas und pinken Flussdelfinen auf den Fersen…und uns 1 Mio Stechmücken!!!

Nach einer sehr erholsamen Nacht starten wir voller Vorfreude in den erneut super sonnigen Tag. Es ist eigentlich grad Regenzeit, aber ungewöhnlich trocken. Das kann die nächsten Tage bitte so bleiben, wenn wir mit dem Boot über den Rio Yacuma schippern, wünschen wir uns als wir beim Frühstück sitzen. Unser Host Pablo schaut ganz neidisch auf unser Deluxe Musli Fruit & Yoghurt. Leider ist der Yoghurt jedoch aus dem Supermarkt und nicht der Selbstgemachte aus dem Dorf. Wir hatten zwar an ein paar Häusern geschrieben gesehen, dass sie Yoghurt verkaufen, aber an eine private Haustür klopfen kam uns etwas komisch vor. Die Dorfbewohner stellen selbst Yoghurt her zum Konservieren der Milch, die bei der Hitze ansonsten zu schnell schlecht werden würde.

Die ganze Tour besteht ausschließlich aus Bewohnern unseres Hostels: 3 sehr junge nerdige Engländer bzw. „Zipster“ (so nennen wir die typischen Touristen in den Outdoor Wanderhosen, die man mit Reisverschluss halb abzippen kann) und ein englisches Blogger-Pärchen, die schon 4 Jahre reisen und von unterwegs arbeiten. Auch ein interessantes Arbeitsmodell!? Da wir nicht alle in ein Auto passen, fahren wir zwei mit dem Guide in einem separaten Taxi, die anderen im Allradwagen. Es ist eine lange Anfahrt von ca. 3 Stunden bis zur Ablegestelle am Rio Yacuma. Schon nach kurzer Zeit geht es auf eine staubige, Schotterpiste. Die Chancen hier bereits Tiere am Wegesrand zu sehen sind nicht schlecht, vorallem hoffen wir auf unser erstes Faultier in den Baumkronen. Leider haben wir heute kein Glück und unser Guide „Oscar“ erklärt uns, dass die Faultiere bei der Mittagshitze natürlich lieber schlafen. Kurz vor der Ankunft kehren wir in einem Restaurant zum Mittagessen ein und nutzen die Chance die anderen ein bisschen kennenzulernen. Unser Guide Oscar lässt sein Handy liegen, als er noch schnell eine neue Billigsonnenbrille kauft. Als wir nochmal zurückkehren ist das Handy weg, wir rufen an doch es ist bereits ausgeschaltet…so schnell kann’s gehen wenn man nicht auf seine Sachen aufpasst!

Am Bootsanleger sehen wir direkt die ersten pinken Flussdelfine, die ihre Kreise ziehen. Das sie hier gefüttert werden sehen wir nicht und denken, dass die neugierigen Tiere von den Wellen der kleinen Holzboote angezogen werden. In brütender Mittagshitze geht es dann ca 1,5 Stunden flussaufwärts zu unserer Ecolodge. Der wenige Fahrtwind bringt kaum Abkühlung und wir werden förmlich gegrillt. Ganz zu Beginn sehen wir direkt einen Kaiman und rote Brüllaffen. Nur mit Handykamera und ohne Obejektiv lassen sich leider keine guten Bilder machen. Dann scheinen sich die meisten Tiere jedoch in den kühleren Mangroven und Baumkronen zu verstecken, außer einige Vögel.

Wir haben jedoch einen blinden Passagier, eine recht große Spinne, die ein paar Mal von links nach rechts flitzt und Ulrike ganz nervös macht. Simon weigert sich sie töten und so haben wir sie fest im Blick…die sitzt eine Weile ganz komisch zusammengezogen an einer Stelle vorn im Boot, was ist los mit ihr? Zack gestorben – ein Windstoß weht sie weg! Na das nennt Ulrike mal eine glückliche Fügung! 😂

Unsere Eco Lodge ist wunderschön und wurde erst liebevoll vor 2 Jahren errichtet. Wir fahren noch an ein paar anderen Lodges vorbei und die sehen teils schon sehr runtergekommen aus bzw. bieten nur einen großen Schlafsaal für alle an. Eine große Auswahl an Unterkünften gibt es hier nicht, wir zählen insgesamt 8, unsere befindet sich im mittleren Preissegment und fern ab der anderen Lodges. Wir haben also definitiv die richtige Wahl getroffen und auch Oscar ist der beste Guide den wir uns wünschen könnten, dazu jedoch später mehr. Unsere Gruppe ist einfach unkompliziert und super entspannt. Bei der Ankunft gibt es kühle, selbstgemachte Limonade und salziges Popcorn. Dann beziehen wir unsere coole Hütte mit Blick auf den Fluss und haben erstmal eine kurze Pause. Nur in der Hängematte auf dem Balkon kann man leider nicht chillen, da es einfach zu viele Mücken gibt. In der Sonne bleibt man weitestgehend verschont, im Schatten werden wir jedoch sofort zerlöchert! In Schwärmen von Tausenden fallen sie über uns her, obwohl wir komplett mit Mückenspray eingenebelt sind. Wir hatten extra eine neue, große Flasche besorgt, nur scheint es nicht stark genug zu sein für diese ausgehungerten Biester. Wir haben nur 5% DEET im Gegensatz zu dem Notfallspray von unserem Guide mit einem Anteil von 80%. Das möchte er uns jedoch leider nicht verkaufen, weil man diese Spezialmischung aus Vietnam nur in einem Shop in La Paz beziehen kann. Da hilft also nur so schnell wie möglich im Zimmer unters Moskitonetz. Wir haben zwar auch Moskitogitter an den Fenstern, an denen sich hunderte, hungrige Moskitos versuchen einen Weg reinzubahnen, dennoch ist das Zimmer nicht mückenfrei. Ein paar schaffen es durch die Ritzen oder kommen zur Tür mit rein. Im Bett unter dem Mückennetz ist also die einzig sichere Zone.

Vorm Sonnenuntergang steigen wir nochmal ins Boot. Wir sehen einen Tukan, der hier sehr selten zu sichten ist, Spechte, Kingfisher sowie Blau- und Gold Aras.

Zum Sonnenuntergang kommen wir an einen beliebten Spot auf einer einer Wiese. Man kann im kleinen Shop Bier & Co. kaufen und eine große Gruppe Israelis spielt Fußball auf der Wiese. Simon gönnt sich ein Bier, richtig romantische Sonnenuntergangsstimmung kommt jedoch nicht wirklich auf.

Wir sind auf der Heimfahrt mit Taschenlampen bewaffnet und die Lichtkegel suchen im Dunkeln das schwarze Wasser ab. Die Augen der Kaimane reflektieren das Licht, sodass sie leichter zu erkennen sind als tagsüber. Wir fahren mit dem Boot ganz dicht ran und Oscar manövriert uns mit der Bootspitze bis ins Dickicht. Als wir alle Lichter aus machen erleuchtet der Sternenhimmel über uns. Irgendwo unterwegs müssten wir ein „Stickinsect“ aufgegabelt haben und es hangelt sich von einer Hand auf die andere.

Wir sind nun richtig hungrig! Zurück in der Lodge wartet bereits ein fantastisches Abendessen auf uns. Die Köchin ist wirklich eine Perle und wir hätten bei Weitem nicht erwartet so gut hier bekocht zu werden! Es ist für alle was dabei, sogar viel Gemüse und vegetarisch/vegane Alternativen für die 3 schmalen Engländer. Besonders gut schmecken uns heute Gulasch und Yukachips…alles homemade versteht sich!

Nun haben wir die Chance unseren sonst eher ruhigen Guide Oscar besser kennenzulernen, der mit seinen Eltern und 11 Geschwistern in einer einfachen Hütte im Amazonas am Rio Beni großgeworden ist. Sie lebten von dem was dort wuchs oder gejagt werden konnte. Auch heute lebt dort noch die größte Indigene Gemeinschaft, verstreut auf ein ziemlich großes Areal. Der nächste Nachbar kann da mal gut 1,5km weit weg wohnen. Seine Großeltern haben nie westliche Kleidung getragen und Oscar berichtet, dass Kleidung das einzige war was „gekauft“ wurde. Geld gab es natürlich keins! Sein Wissen über den Amazonas, die Tiere und Heilpflanzen ist schier unglaublich. Er ist wohl einer der wenigen Menschen, die überleben würden, wenn man ihn mitten im Dschungel aussetzen würde. Könnt ihr euch vorstellen, dass Leute vor nur 40 Jahren noch so gelebt haben? Und die Wahrscheinlichkeit ist sogar sehr groß, dass immernoch „wilde“ Stämme irgendwo im Amazonas leben! Bei einer 2 wöchigen Tour ist Oscar sogar vor Jahren auf so eine Gemeinde getroffen. Beide Seiten waren neugierig, aber unsicher was der andere im Schilde führt. Der Stammesälteste hatte sie nach einer Nacht Bedenkzeit jedoch empfangen und sie durften sich im bescheidenen Dorf umsehen und einen Abend mit ihnen essen und feiern. Oscar war sich jedoch nicht sicher, ob man sie nur mästete und danach aufs Feuer schmeißt, oder man sie überhaupt wieder gehen ließe. Alle sind jedoch ungeschoren davon gekommen, bis auf heftigen Durchfall für ein paar Tage. Als er zwei Jahre später an den Ort zurückkehrt, sind die Häuser nur noch Ruinen und der Stamm sicher weitergezogen. Gern würden wir mit ihm mal eine längere Tour tief in den Amazonas wagen, zumindest Ulrike ist von der Idee begeistert, Simon ist eher skeptisch und würde ein richtiges Bett zu sehr vermissen. 😂

Beim Jagen verschwand auch mal ein junger Mann und wurde Jahre totgeglaubt. Er wurde von einem Stamm Kanibale gefangen gehalten und nur nicht gegessen, da er aus der westlichen Welt berichten konnte. Er spielte also ein paar Jahre den Clown, bis er es irgendwann schaffte zu fliehen. Wir kleben förmlich an Oscars Lippen und hören begeistert seine Geschichten. Wir könnten uns die ganze Nacht noch Geschichten erzählen lassen, aber plötzlich schaut er auf die Uhr. Es ist bereits 21:15 und in 15 Minuten geht das Licht aus. Storm und Licht gibt es nur abends sehr begrenzt. Wir schaffen es noch rechtzeitig in die Hütte, aber nicht uns noch bei Licht bettfertig zu machen. Aber dafür stehen Kerzen bereit! Im Schilfdach unserer Hütte wohnen kleine Fledermäuse, die uns aber keine Angst machen. Als Simon nochmal mit der Taschenlampe vom Balkon leuchtet, entdecken wir ein „Capybara“, Wasserschwein, das sich grad dort zum Schlafen niedergelassen hat. Es ist geblendet und dreht genervt den Kopf weg – ok was für ein aufregender Tag! Gute Nacht!

Unter Pampas hatten wir uns zunächst eine Graslandschaft vorgestellt, eher wie eine Steppe. Tatsächlich gäbe es hier neben den Mangroven sicherlich auch Gras- oder Schilfflächen im Umland, jedoch ist grad Regenzeit, was bedeutet dass die gesamte Fläche hier mehr oder weniger unter Wasser steht. Die Tour führt auf dem Fluss Yacuma, der mehr als übers Ufer getreten ist. In der Trockenzeit ist er nur maximal 1,5m tief und nicht besonders breit, nun ca 6-7m und weiterer Regen lässt ihn bis auf den Höhepunkt von 8m anschwellen. Uns war bewusst, dass die Chancen Tiere zu sehen in der Regenzeit geringer sind – aber von diesen krassen Dimensionen waren wir nicht ausgegangen. In der Trockenzeit kommen natürlich alle Tiere zum Wasser und außerdem konzentrieren sich Kaimane und Piranhas in dem flachen Flusswasser. Sie sind auch wesentlich besser zu sehen, da das Wasser dann klar ist. Nun ist das Wasser tiefschwarz und riecht auch etwas faulig, da es von den Graslandschaften auch viel Erde und Vegetation anspült. Wiederkommen würden wir auf jeden Fall nochmal in der Trockenzeit wegen der Tiere, dennoch ist es auch ein Erlebnis dieses Ökosystem komplett geflutet zu erleben.

Wir versuchen heute also nochmal unser Glück und nachdem wir üppig gefrühstückt haben, steigen wir ins Boot. Immerhin ist es heute trocken und zum Glück etwas bewölkt, sodass es nicht ganz so brütend heiß ist wie gestern. Heute wollen wir versuchen Anacondas oder andere Schlangen zu finden und legen daher an einer Stelle an, die nicht so tief überflutet ist. Wir sind mit Gummistiefeln und ein paar langen Stöcken bewaffnet. Um unsere Chancen zu erhöhen, verteilen wir uns und suchen die ganze Wiese ähnlich der Suche nach einer vermissten Person in einer Reihe ab. Das Wasser steht so hoch das es fast bis in die Stiefel hinein läuft. Schritt für Schritt tasten wir uns langsam und vorsichtig vorwärts. Den Stock stechen wir vor uns in den Sumpf, denn es könnte ansonsten passieren das wir auf einen gut versteckten Kaiman treten. Schnell wird uns klar, dass es die Suche nach der Nadel in Heuhafen wird. Oscar hat uns als Moskitoköder auf der Wiese ausgesetzt, obwohl es auf freier Fläche mit leichtem Wind wesentlich erträglicher ist. An der Anlegestelle im Dickicht hatte Simon den „Moskitorave“ erfunden: von einem Bein aufs andere springen und wild mit den Armen um sich schlagen, bloß in Bewegung bleiben, denn sie stechen auch durch die Klamotten! Ulrikes gesamten Oberschänkel und Po sind bereits komplett zerlöchert, da die dünne Sporthose keinen Schutz bietet. Vorallem das Sitzen auf den aus Schnüren gespannten Stühlen auf dem Boot ist gefährlich, da man sie von unten kommend nicht sieht. Heute sind wir schlauer und sitzen auf unseren Jacken! Denn jeder Stich weniger zählt! Wir fragen uns ernsthaft, ob wir uns bereits irgendwelche Krankheit eingefangen haben? Die Chancen auf Malaria sind hier laut Oscar jedoch gering und werden eher weiter im Norden im tiefsten Amazonas übertragen, auch Dengue ist mehr in den Städten verbreitet. Bei 5-10 Tagen Inkubationszeit dürften wir uns dann jedoch im medizinisch besser aufgestellten Costa Rica behandeln lassen! Recht ernüchtert fahren wir nach 2,5 anstrengenden Stunden erfolgloser Suche wieder zurück in die Lodge. Das Stapfen durch das fast kniehohe Wasser bei tropischem Klima war übelst anstrengend. Der vegane Engländer war zum Schluss sogar plötzlich einfach ohnmächtig umgekippt. Kein Wunder wenn man isst wie ein Vögelchen und kaum trinkt vor so einer Wanderung bei der schwülen Hitze.

Es wartet wieder eine reichlich gedeckte Tafel auf uns und nach dem Essen sind wir furchtbar müde und machen einen Mittagsschlaf. Am Nachmittag steht dann ein weiteres Highlight auf dem Programm. Wir suchen pinke Flussdelfine und wer sich traut darf sogar mit ihnen schwimmen! Unschlüssig, ob wir diese einmalige Gelegenheit nutzen wollen, ziehen wir also unsere Badesachen drunter. Nach recht langer Fahrt erreichen wir eine Stelle, an der sich die Delfine gern aufhalten und sie sind heute da! Neugierig und angelockt von den Wellen des Bootes und Oscars Trommeln umkreisen sie uns friedlich. Wie aufregend! Kurz zögern wir, ob wir ins tiefschwarze, muffelige Wasser springen wollen. Schließlich wissen wir das es hier auch meterlange Anacondas gibt und Piranhas und Kaimane…man weiß nicht wirklich was sich im tiefen Wasser unter einem tummelt. Oscar bestätigt uns aber das das Risiko recht gering sei, solange die Delfine in der Nähe sind. Schließlich fressen sie auch Piranhas und solange man keine Wunden hat, wird man auch nicht direkt bis auf die Knochen abgenagt so wie es in manchen Horrorfilmen dargestellt wird. Wir wollen ihm glauben, auch das sich keine gefährlichen Keime oder Parasiten im Wasser befinden, obwohl es schon echt ekelig riecht. Einer der ruhigen Engländer ist überraschend mutig und der erste im Wasser, wir zwei folgen ihm (als wir sehen das er noch an der Oberfläche schwimmt haha), doch die anderen bleiben lieber im Trockenen.

Wir sind ganz aufgeregt und ein paar wenige Male stupsen uns die Delfine kurz zum Hallo sagen an. Oder war es doch etwas anderes? 😂 Nach einer Weile schwimmen wir aber ganz entspannt im überraschend erfrischenden Wasser. Nach der Überwindung ist es gar nicht mehr so schlimm und auch die Mücken können uns hier grad nix anhaben! Die Define kreisen friedlich um uns und das Boot herum und alle sind ganz hin und weg. Es ist sonst ganz ruhig um uns herum und wir lauschen dem Schnaufen der Define, wenn sie an der Wasseroberfläche ausatmen. Zwei von ihnen schwimmen stets dicht beieinander, sie sind laut Oscar „deep in love“. Das heißt man sollte lieber nicht zu Nahe kommen, da einer der beiden schnell eifersüchtig werden könnte und vielleicht doch mal nach uns schnappen würde. Happy über diese tolle Erfahrung steigen wir zurück in unsere hölzerne Nussschale und fahren zurück zur Lodge für eine ausgiebige Dusche!

Ob sich das frühe Aufstehen zum Sonnenaufgang lohnen wird, ist am Vorabend ungewiss. Ein heftiges Gewitter tobt sich am Abend und in der Nacht aus. Wir machen mit Oscar aus, dass er uns alle weckt sofern es morgens klar ist und man den Sonnenaufgang von der Aussichtsplattform der Lodge sehen kann. Leider ist dem nicht so, aber immerhin können wir getrost etwas länger schlafen. Zum Frühstück gibt es heute etwas ganz besonderes, frisch zubereitete „Cuñapes“. Sie bestehen aus recht aufwändig hergestelltem Yukumamehl, das in Kringel ausgebacken wird. Hier im Norden Boliviens werden sie gern zum Frühstück oder als Snack gegessen. Sie sind frittiert und sicher nicht mega gesund – aber super köstlich! Wir lassen uns ausgiebig Zeit beim Frühstück, denn nun hat es schon wieder angefangen in Strömen zu regnen und keiner ist besonders motiviert im Boot klatschnass zu werden. Wir warten also erstmal ab und Oscar erzählt wieder Geschichten aus seinem Leben.

Seine Eltern lehrten ihm und seinem Geschwistern alles über Heilpflanzen im Dschungel. Eines Tages wurde sein Vater von einer Schlange gebissen und seine Mutter forderte die Kinder auf, schnellstmöglich eine bestimmte Pflanze zu finden. Aus der Frucht kochten sie einen Tee, den der Vater jede Stunde trank und so überlebte. Er erzählt die Geschichte so lebendig als wäre es gestern gewesen. Oscar liebt die Natur und seinen Job als Guide, das merkt man ihm direkt an. Er ist sicher einer der faszinierendsten Menschen, die wir auf unserer Reise getroffen haben. Leider hat es sich nun eingeregnet und Oscar überlässt uns die Entscheidung, ob wir mit dem Boot hinausfahren wollen. Wir sind zwar nicht begeistert, aber wollen auch bei Regen unser Glück versuchen Piranhas zu fischen. Oscar erzählt, dass ein Israeli sich mal unbedingt von einem Piranha beißen lassen wollte. Warum zur Hölle?! Oscar riet ihm natürlich ab, doch er wollte diese schmerzhafte Erfahrung machen. Der gefischte Piranha biss kräftig zu, die wie Widerhaken nach hinten gewachsenen Zähne rissen ihm die Fingerkuppe ab und es blutete wie sau. Aber hey, er hat nun eine beeindruckende Geschichte zu erzählen, warum ein Finger nun etwas kürzer ist. Wir ziehen uns Gummistiefel und Regenponchos über, da haben die Mücken heute FAST keine Angriffsfläche, außer natürlich Hände und Gesicht. Ja wir haben uns auch Mückenspray ins Gesicht gesprüht, doch spätestens der platschende Regen wäscht es ruckzuck wieder ab. Eigentlich verlagert sich nur die Körperstelle, die ihnen zum Opfer fällt.

Wir legen an einer Stelle nahe der Mangroven an, wo nicht allzu viel Strömung ist. Bewaffnet mit einer sehr einfachen Angel bestehend aus einem Holzklötzchen, um die eine Nylonschnur gewickelt ist, versuchen wir unser Glück. Als Köder dient ein kleines Stückchen rohes Fleisch. Ihr fragt euch nun sicher was mit den Engländern ist? Die zwei Vegetarier werfen schön das Fleisch aus, wohingegen der vegane Engländer seinem Motto treu bleibt und nur beim Angeln zuschaut. Einmal beißt was an und wir sind alle ganz aufgeregt…doch leider geht der Fisch vom Haken.

Danach fischen wir nur Mangroven, denn ständig bleibt der Haken an einer Wurzel im Wasser hängen. Ganz schön ernüchternd dieser Ausflug im Regen… Ohne Ausbeute geben wir irgendwann auf und kehren fürs letzte richtig gute Mittagessen zurück in die Lodge. Frederick, der einäugige Kaiman ist vom Regen wenig beeindruckt und hängt am Steg ab. Er scheint hier zu wohnen und ist nur ein wenig scheu.

Dann heißt es auch schon wieder Taschen wasserfest verpacken und ab aufs Boot. Zurück zum Anleger nehmen wir nun den kürzesten Weg und als wir 45min später ankommen, hat es endlich aufgehört zu regnen. Wir wechseln in teils trockene Klamotten und warten auf unseren Fahrer, der wegen Starkregen etwas verspätet ist. Nun sind wir richtig froh das unser Touranbieter als einziger einen Geländewagen nutzt. Die Staubpiste hat sich durch den heftigen Regen in eine Schlammpiste verwandelt. Ein LKW steht quer und versperrt die weitere Durchfahrt. Zum Glück können wir über einen Acker die Straße umfahren und rutschen danach zurück Richtung Rurrenabaque. Selbst der Allradwagen findet auf sehr schlammigen Passagen kaum Halt und wir brechen nach links und rechts aus…zum Glück ist die Straße breit genug. Ein paar „Cowboys“ auf Pferden treiben ebenfalls eine Herde Rinder auf der Straße.

Wir sind alle müde und platt und kurz vor dem einschlafen, als der Fahrer plötzlich heftig bremst. Perezoso!!! Er zeigt in die Baumkrone und dort turnt ein Faultier. Wir sind plötzlich alle hellwach und springen aus dem Auto. Heute ist es etwas kühler und bewölkt, sodass sich das Faultier blicken lässt. Unser erstes Faultier in freier Wildbahn! Wir sind hin und weg! Ganz verwundert darüber, wie schnell es sich doch bewegen kann, stehen wir eine ganze Weile am Straßenrand. Glücklich über das Highlight des sonst recht erfolglosen Tages, kehren wir zurück nach Rurrenabaque.

Rurrenabaque

Abgeschiedenheit im bolivianischen Amazonas

Wir werden schweißgebadet wach. Mittlerweile ist es Mittag und das Zimmer hat die Temperatur einer Sauna. Wir gehen kalt duschen und jetzt sind auch ein paar andere Gäste wach, und unser Host bringt uns direkt einen Standventilator. Wir können dennoch nicht aufhören zu schwitzen! Pablo ist Portugiese und lebt hier mit seiner Frau und 2 Kindern, eine ganz liebe Familie. Wir finden man merkt immer wenn die Besitzer europäische Wurzeln haben, Standard und Sauberkeit sind meist um Welten besser. Das „Perezoso“, übersetzt Faultier Hostel hat eine sehr gute Atmosphäre und auch der Ort Rurrenabaque versprüht seinen Charme. Die Leute sind total entspannt, super freundlich und der kleine Ort besteht wirklich nur aus ein paar dürftig errichteten, kleinen Häuschen. Wir können voll und ganz verstehen, warum Pablo sich direkt in diesen Ort verliebt hat und geblieben ist! Auch wir hätten gern einfach ein paar Tage mehr hier verbraucht und mit dem Roller die Gegend erkundet. Wir sind nun aber erstmal hungrig und laufen ins kleine Zentrum ein paar Blocks weiter. Wir springen bei 40 Grad von Schatten zu Schatten, sofern möglich, denn es ist zur Mittagszeit einfach unerträglich heiß und dazu noch die hohe Luftfeuchtigkeit. Sogar die Taxiroller haben eine Überdachung…das haben wir ja nicht mal in Asien gesehen! Bei Sonne und Regen sind Fahrer und Passagier bestens geschützt.

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Das empfohlene Restaurant hat heute leider geschlossen und so essen wir gegenüber ein Mittagsmenü. Die Suppe heizt uns zusätzlich ein und eigentlich ist es uns jetzt viel zu heiß irgendwas zu essen. Gegenüber auf der Straßenseite reihen sich ein paar Touranbieter aneinander. Wir hatten zwar vorher online recherchiert, wer ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat, aber wollten besser Vorort vergleichen und verhandeln. Über Dolphins haben wir kaum Bewertungen online gefunden, aber unser Host hatte den Eco-Touranbieter sehr empfohlen. Sie sind zertifiziert, recht neu und vorallem füttern sie keine Tiere an. Wir handeln einen guten Preis für eine kombinierte 4-tägige Tour in den Pampas und im Dschungel aus und schauen gar nicht mehr weiter. Morgen geht’s bereits los! 🤗

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Gegen Abend laufen wir los auf der Suche nach Kaimanen, die in einem Sumpfgebiet unweit der Stadt wohnen. So ganz wissen wir den Weg jedoch nicht und laufen zunächst parallel zum Rio Beni entlang. Hier wird grad ein Boot voll Bananen ausgeladen – frisch aus dem Dschungel sozusagen! Es sind aber die grünen Kochbananen, die zum rohen Verzehr ungeeignet sind. Im Dorf hätten wir fast welche gekauft, doch die nette Verkäuferin erkannte direkt das wir zwei Gringos keine Ahnung hatten und erklärt uns das wir die zunächst kochen müssen. Wir finden keine „Essbananen“ im Dorf, aber bei jedem bestellten Gericht im Restaurant ist Kochbanane mit auf dem Teller. Da wir normalerweise sowieso fast jeden Tag Bananen essen, da sie günstig und einfach praktisch zum mitnehmen sind bzw es sie an jeder Ecke zu kaufen gibt, können wir auch mal auf die andere Variante wechseln. 🍌

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Wir laufen also weiter und fragen ein paar Einheimische, weil die Sonne schon recht tief steht. Bevor es wegen dem Gesuche noch dunkel wird schnappen wir uns ein TukTuk, welches uns zielsicher zum Tümpel bringt. Wir haben jedoch heute kein Glück und außer ein paar Kinder beim Fischen und Vögel sehen wir nichts. Wir laufen zurück ins Dorf und schauen uns ganz neugierig die kleinen Holzhütten und deren Bewohner auf dem Weg zurück an. Ein Holzhaus wird gerade ausgeräuchert, so bleiben Stechmücken und Krabbelviecher fern. Kinder, Hunde und Hühner laufen aufgeregt ums Haus.

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Die Sonne senkt sich über dem Rio Beni und ein wenig Nebel verleiht dem Dorf eine mystische Atmosphäre. Kennt ihr vielleicht den Film „Jungle“, der hier im Amazonas am Rio Beni und in Rurrenabaque spielt? Wir haben ihn vor kurzem nochmal gesehen und freuen uns durch diese urige „Kulisse“ zu laufen.

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Zurück im Dorf stolpern wir zufällig über eine recht gut besuchte Pizzeria. Hätten wir gar nicht erwartet, dass Pizza bei Bolivianern so beliebt ist und schon gar nicht hier! Klar gibt es hier auch Touristen, Touranbieter und ein paar kleine Läden, die Outdoorbedarf und Mückenspray verkaufen, aber der Massentourismus ist hier bei weitem noch nicht angekommen. Keiner versucht einem etwas aufzuschwatzen und die Leute hier sind noch richtig interessiert wo wir herkommen und wohin wir reisen, einfach super herzlich die Dorfbewohner. Wir bestellen eine riesige Pizza – typisch europäisches Essen bevor es in den Dschungel geht…wer weiß was es dort zu essen gibt? Dazu gibt es hausgemachte Zitronenlimonade, die wie Slushi halbgefroren ist. Richtig erfrischend, denn so wirklich abgekühlt ist es noch nicht. Voller Vorfreude auf die nächsten Tage genießen wir unsere Hänkersmahlzeit!

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Coroico

Kurze Zwischenlandung in den Yungas

https://youtu.be/7Uw4Ww3FSbA

Vermutlich den meisten nur bekannt durch den Anbau von Cocablättern, hat die Region durchaus mehr zu bieten! Der kleine Ort Coroico im Dschungel ist ein beliebtes Ausflugsziel für Bewohner aus dem kühlen La Paz, die ein paar Tage im Warmen verbringen möchten. Auch uns gefällt der Ort auf Anhieb richtig gut, bis auf den Taxifahrer der uns beim Rausschmeißen extra fürs Gepäck kassiert, obwohl das so nicht ausgemacht war. Auf einer unbefestigten Straße haben wir uns mit dem Sammeltaxi in Serpentinen ein paar hundert Meter an den Ortseingang fahren lassen und laufen nun mit Blick über das grüne Dschungeltal zu unserer Unterkunft etwas außerhalb. Die Sonne steht schon tief und der ganze Ort strahlt einfach eine friedliche Atmosphäre aus.

Aus unserem Zimmer haben wir den gleichen schönen Ausblick. Und vom Pool aus ist es noch viel schöner!

Einzig der Schweiz-Französische Besitzer ist etwas garstig, was wir gar nicht verstehen können. Überall hängen Schilder mit was man nicht darf und wo man nicht sitzen darf etc…wenn man keine Lust auf Gäste hat sollte man einfach nur das Restaurant betreiben und keine Zimmer vermieten. Naja, immerhin schmecken seine Crêpes zum Frühstück am ersten Morgen ganz lecker, auch wenn wir die nächsten Tage für einen Bruchteil des Preises am Hauptplatz sehr gute Pancakes oder Empanadas bei einer Straßenverkäuferin frühstücken. Am Hauptplatz ist immer was los und wir müssen über einen alten Mann schmunzeln, der sein altes Radio mitbringt und sich uns gegenüber setzt. Die Kinder toben um den Brunnen in der Mitte und ziehen Spielzeugautos mit Schnur hinter sich her. Wir sitzen hier ein paar Mal zu unterschiedlichen Uhrzeiten und beobachten das bunte Treiben. Um die Ecke vom Hauptplatz befindet sich ein Lager mit Cocablättern, die hier auf riesige Haufen zusammengetragen werden.

Wir wandern zum Berg „Chutokollo Uchumachi“, mit 2500 Höhenmetern vermutlich die größte Erhebung in der Region. Aus dem Ort geht es stetig bergauf und wir treffen auf der ganzen Strecke nur ein Pärchen, dass beim ersten kleinen Rastplatz abhängt. Danach sind wir die einzigen die sich in der Mittagssonne den Berg hoch quälen. Ulrike hat vergessen sich die Waden einzucremen…das wird hässlichen Sonnenbrand geben und der schöne Farbunterschied ist auch jetzt ca 1 Monat später noch sichtbar. Auch wenn es anstrengend ist genießen wir den Aufstieg und den traumhaften Ausblick. Viele Leute scheinen hier nicht hochzulaufen, denn die engen Trampelpfade sind teilweise schon sehr zugewachsen.

Ein Stück führt der Weg auch durchs Unterholz, bis wir wieder freien Blick aufs Tal haben. Unterwegs kreuzen immer wieder Blattschneideameisenstraßen unseren Weg, die wir natürlich auch genauer unter die Lupe nehmen. Am Rastplatz erfrischt sich ein durstiger Schmetterling bei uns. Große Greifvögel kreisen ganz tief über uns, ohne einen Flügelschlag gleiten sie elegant über das Tal.

Zurück im Ort folgen wir einem Schild zum deutschen Restaurant und Café. Wir haben uns nun eine Portion Kässpätzle und Apfelkuchen mit Café verdient – es wird geteilt versteht sich! Alles schmeckt nach typisch deutscher Qualität. 😊 Eine Hängematte gibt es hier auch und Internet, was an so einem abgelegenen Ort nicht selbstverständlich ist.

Zur Abkühlung geht es am Spätnachmittag nun endlich in den herrlich erfrischenden Pool!

Der nächste Tag ist leider bereits Abreisetag und daher haben wir bei der Hitze auch nicht viel mehr geplant als am Pool und in den Hängematten abzuhängen bis wir den Bus nehmen. Wenn wir nur genau wüssten wann der Bus fährt… So gut wie niemand steigt hier in den Bus ein, sondern fährt von La Paz direkt nach Rurrenabaque. Online finden wir einen Beitrag der empfiehlt sich gegen 16 Uhr an den Straßenrand zu stellen und den Bus abzupassen, wenn er für 5min Pipipause hält. Gemäß unseres Vermieters haben wir, als wir um 11 Uhr beim Checkout fragen, den einzigen Bus bereits verpasst. Er meint nur er würde sich auskennen, obwohl er nur per LKW trampt (was wir nur im äußersten Notfall in Betracht ziehen würden). Wir sind zwar zuerst etwas irritiert, aber laut online Busfahrplan fahren 2 Busunternehmen Mittags in La Paz los und passieren logischerweise irgendwann am Nachmittag den von uns ein paar Kilometer entfernten Ort Yolosita. Simon schreibt dennoch per WhatsApp unser bevorzugtes Busunternehmen an und sie bestätigen, dass uns der Bus so um ca 17 Uhr oder ein weiterer um 19 Uhr einsammeln könnte. Wir chillen also weiter, bevor wir spät Mittagessen gehen und dann ein Taxi nach Yolosita nehmen. Letzteres war gar nicht so einfach, aber wir sind dennoch recht pünktlich um 16:30 Uhr an der kleinen Kreuzung in Yolosita. Wir kaufen ein paar Snacks und warme Empanadas bei den Straßenverkäuferinnen, die um jedes Fahrzeug buhlen, das die Kreuzung passiert.

Wir warten und warten und beobachten von der Bordsteinkante aus das Gewusel und die Kontrollen beim Polizei-Checkpoint gegenüber. Wir haben nach rechts freien Blick auf die Brücke und können herankommende Busse frühzeitig erkennen. Ein paar wenige Male springt einer von uns auf und erfragt beim haltenden Bus, ob er der richtige sei…aber Fehlanzeige! Den ersten Bus müssen wir also komischerweise verpasst haben und als es um 19 Uhr ruhiger an der Kreuzung wird, werden wir schließlich etwas nervös. Was ist wenn doch kein Bus mehr kommt? Unsere Unterkunft war komplett ausgebucht und es wird schwierig nun so spät abends am Wochenende im Ferienort einen Schlafplatz zu finden. Ulrike fragt bei einem Standverkäufer, wann die letzten Busse kommen und hier alles dicht gemacht wird…so um 21-22 Uhr. Wir warten nun bereits 2,5 Stunden und bei Einbruch der Dunkelheit fragt Ulrike dann noch bei der Polizei nach, die rät noch geduldig zu warten, da noch verschiedene Busse kommen. Aber uns fällt das Warten schwer, wenn man nicht weiß ob man noch wegkommt und die ganze Zeit auf heißen Kohlen sitzt.

Im Dunkeln wird es definitiv schwieriger eine Mitfahrgelegenheit zu finden und wir wollen uns nun vorne an die Straße stellen, da wir die ankommenden Fahrzeuge im Dunkeln auf der Brücke nicht mehr sehen können. Als wir grade entschließen nun JEDE Option nach Rurre wahrzunehmen und dabei ernsthaft auch Trampen per LKW einschließen, erblicken wir einen Bus. Simon läuft vor und kommt mich dann schnell mit Gepäck holen. Wir haben Glück die letzten Sitzplätze in einem klapprigen Bus zu ergattern und der Fahrer stellt uns auf der Straße schnell ein Ticket aus. Für einen kurzen Moment vergessen wir jegliche Sicherheitsvorkehrungen und Vorsätze die gefährliche Strecke nur mit dem besten Busunternehmen zu fahren. Wir sind überfroh nach 3,5 Stunden hier endlich wegzukommen…bis wir uns in die Mitte der letzten 5er Reihe quetschen. Die Sitze sind mehr als durchgesessen und jede Feder zu spüren, die Armlehnen fehlen und das scharfe Metall der Befestigung drückt uns ins Fleisch, links neben Ulrike beansprucht die Cholita mit ihrem sehr ausladenden Hinterteil und Rock mehr als ihren Sitzplatz. Vorallem Simon, der genau in der Mitte sitzt, hätte schrecklich gern einen Anschnallgurt, den es theoretisch irgendwo unterm Sitz gäbe, sich jedoch nicht freilegen lässt. Wir ergeben uns unserem Schicksal, das wir die Nacht schlaflos in dem engen, zugigen und holprigen Bus verbringen und hoffentlich überleben werden. Denn diese Strecke wird online wegen der extrem schlechten Straßenverhältnisse besonders bei starkem Regen heutzutage eigentliche „Death Road“ bezeichnet. Wir schauen links aus dem Fenster und können den tiefen Abgrund auf schmaler, unbefestigter Straße nur erahnen. Vielleicht ist es besser das es bereits dunkel ist, denken wir uns und konzentrieren uns darauf beim Geholper im ungefederten Bus auf unserem Platz sitzen zu bleiben. Zu unserem Glück gab es die letzten 2 Tage keinen Starkregen, sodass die Straße sich nicht in eine Rutschpartie verwandelt hat, doch der staubtrockene Weg ist dafür extrem hubbelig. Dieser Nachtbus kommt auf Platz 2 der schlimmsten Busfahrten unseres Lebens, Platz 1 hält trotzdem noch der irre Nachtbusfahrer in Myanmar…

Bei der nächsten Pipipause stellen wir fest, dass dem Bus die ganze Frontschürze fehlt. Ob wir sie unterwegs verloren haben oder ob sie wegen Gefahr des „Aufsetzens“ demontiert wurde, wissen wir nicht. Wir kaufen etwas kühles zu trinken und spielen mit einer kleinen Babykatze.

Wir halten unterwegs ein paar Mal, um Leute in kleinen Ortschaften rauszuschmeißen, und ständig geht das Licht im Bus wieder an. Als etwas weiter vorne 2 Plätze nebeneinander frei werden, steigen wir schnell über die schlafenden Kinder und den Hund im Mittelgang und versuchen es uns so bequem wie möglich zu machen. Beim nächsten Halt, eigentlich einer Pipipause jedoch ohne geöffnetes WC, müssen wir uns notgedrungen eine dunkle Ecke suchen. Warum das WC verschlossen, aber ein paar Snackstände um 4 Uhr nachts geöffnet sind, verstehen wir nicht. Simon freut es trotzdem, denn der Schokohiper hat ihn gepackt und wir kaufen Schokokekse, die wir verputzen während wir nun bereits 4 Sitze beanspruchen.

Wir kommen gut durch und kurz nachdem der Sonnenaufgang den Blick über die Dschungellandschaft freigibt, erreichen wir Rurre nach 10 langen Stunden sogar eine halbe Stunde früher als geplant. Einige haben berichtet von La Paz aus 20 Stunden gebraucht zu haben oder sogar länger, wenn es einen Unfall oder Erdrutsch gegeben hat. Mit einem TukTuk fahren wir in unsere Unterkunft „Faultier Hostel“ und sind heilfroh, dass wir bereits um 7 Uhr unser Zimmer beziehen dürfen. Simon findet direkt neue Freunde und ohne Aufforderung gesellen sich Hund und Katze direkt zu ihm! Wir haben nun dringend eine Dusche und ein paar Stunden Schlaf nötig!

Wenn man eine Reise tut…dann gehören auch Erlebnisse wie diese dazu! Nichts ist immer nur so schön, bunt und glamourös wie es auf Instagram erscheint. Für uns gehört dies zum Abenteuer Weltreise dazu und wir sind nur froh so eine Situation ohne Schaden zu überstehen. Würden wir wieder in diesen Bus steigen? Natürlich! Viele sagen uns sie würden gern mit uns tauschen, aber auch in diesem Moment? Es gehören auch viele Strapazen dazu einen abgelegenen Ort zu erreichen und Backpacking ist sicher kein 5-Sterne All-Inklusive Urlaub…

Death Road

Mit dem Mountainbike fahren wir die gefährlichste Straße der Welt!

„Death Roads“ kennen manche von euch sicher aus TV-Reportagen und eine davon ist die rund 80km lange „Yungas-Straße“ oder auf Spanisch „Camino de la muerte“ in der Nähe von La Paz. Sie wurde als die gefährlichste Straße der Welt ernannt! Wir erinnern uns vor Jahren einen Bericht im TV gesehen zu haben und mit einer großen Portion Mut im Gepäck wollen wir uns auf das Abenteuer einlassen.

Aber wie bekam die Death Road eigentlich ihren Namen?

Die Death Road wurde in den 1930er im Chaco-Krieg von der bolivianischen Regierung mit Hilfe von paraguayischen Kriegsgefangenen erbaut und forderte seither viele Menschenleben. Während der Bauphase verloren viele Paraguayer ihr Leben und die Leichen konnten niemals in den vielen hundert Metern tiefen Abgründen geborgen und richtig beerdigt werden. Nach Fertigstellung war dieser Weg die einzige Versorgungsstraße, die La Paz und Coroico auf einer unbefestigten, einspurigen Straße ohne Leitplanken verband. Schlecht einsehbare Kurven, vorallem bei hier häufig auftretendem dichten Nebel, sowie starke Regenfälle verbunden mit Erdrutschen machen die Straße extrem gefährlich. Auf der einen Seite befinden sich steile Felswände und auf der anderen steile, ungesicherte Abgründe, die hunderte Meter tief sind und den sicheren Tod bedeuten. Überholen ist kaum möglich und Gegenverkehr erfordert Milimeterarbeit. Trotz Einführung des Linksverkehrs zur besseren Einsicht heraufkommender Fahrzeuge, war besonders das Manövrieren von Bussen und LKWs ein riskantes Unterfangen und kostete unzählige Menschenleben. Viele Bolivianer sagen die vielen Unfälle seien die Rache der toten Paraguayer, die ihre letzte Ruhe nicht gefunden haben. Der Name „Death Road“ ist also der Geschichte und den vielen Toten zuzuschreiben.

Mittlerweile gibt es aufgrund der hohen Unfallquote in den letzten Jahrzehnten eine gut ausgebaute Alternativstrecke. Die ursprüngliche Straße ist jedoch immer noch mit dem Auto befahrbar und weckt auch bei Mountainbikern rege Aufmerksamkeit. So entscheiden wir uns also für eine „Todestour“ 😝 mit dem MTB. Das funktioniert natürlich nur über eine Agentur und wir finden eine renommierte mit recht guten Rädern direkt um die Ecke unserer Unterkunft. Am Abreise- und Tourentag werden wir um 7 Uhr inklusive Sack und Pack abgeholt, denn wir wollten am Ende der Tour in den Yunkas bleiben und nicht 3 Stunden zurück nach Paz fahren. Die Räder sind alle auf dem Dachträger des Vans verzurrt. Nach einer 45-minütigen Fahrt mit unserer Gruppe, bestehend aus einem neuseeländischen Pärchen und 5 lautstarken Latinos, kommen wir am Startpunkt an. Das Wetter ist ziemlich gut, kein Regen oder dichter Nebel und nur die Wolken hängen hier tief auf einer Höhe von 4700 Höhenmetern. Mit Wind ist es aber ziemlich frisch und die dünnen Handschuhe erzeugen wenig Wärme…das wird sich jedoch bald schon ändern. Wir sind nach dem Zwiebelprinzip angezogen, denn heute machen wir laut Guide alle Jahreszeiten mit auf der Abfahrt von 3500 Höhenmetern! Manchmal schneit es sogar hier oben, aber wir haben Glück und dürfen nur die schneebedeckten Berggipfel in der Ferne bestaunen.

Nach einem kleinem Frühstück mit Kaffee und Marmeladenbrötchen wird die Ausrüstung angelegt und wir fühlen uns dick eingepackt wenig beweglich wie Michelinmännchen. Die Guides geben ein kurzes Briefing und das Grundprinzip ist denkbar einfach, wir fahren zu 95 % „Downhill“, also einfach stets bergab! Ganz Vorne und Hinten begleitet uns jeweils ein Guide, ganz zum Schluss fährt der Van. Dazwischen kann jeder so langsam/schnell fahren wie er möchte oder sich zutraut. Wir gehen noch schnell ein paar Handzeichen wie zum Beispiel „langsamer“ und „Stop“ durch und dann geht es endlich los, bevor wir hier noch festfrieren.

Die erste halbe Stunde rollen wir auf Asphalt. Scheinbar sind sogar noch 2 andere Gruppen des gleichen Anbieters vor und hinter uns unterwegs. Nach der kurzen Einrollrunde heißt es in einem kleinen Dörfchen, Räder wieder aufs Dach, alle einsteigen und ein gutes Stück mit dem Van bergaufwärts fahren. Eine Viertelstunde später kommen wir dann an dem eigentlichen Start der „Death Road“ an und ab hier sind es ca 32km bis ins Tal. Der Untergrund wechselt von Asphalt zu Schotter und wir wechseln wieder vom 4- aufs 2-Rad. Es gibt Toiletten mit „Aussicht“, also wenn man das Loch im Boden in einer halbhoch gemauerten Kabine ohne Tür so nennen darf. Simon schiebt sich noch ein paar Cocablätter in die Backe und füttert damit auch die Hühner, die hier frei rumlaufen. Ein schnelles Foto und dann fahren wir der ersten Gruppe hinterher. Der private Krankenwagen steht schon bereit und der Fahrer mustert die Biker…ob er wohl heute was zum „Verdienen“ bekommt???

Bereits nach 10 min kommt es schon zum „Stau“, da Stopps bei diversen Fotospots anstehen wie z.B. ein durchfahrbarer Wasserfall auf der Strecke. Einzel- und Gruppenfotos werden von den Guides der Gruppen geschossen. Die Landschaft ist wunderschön mit begrünten Bergen und der unberührten Natur. Das Freiheitsfeeling ist ähnlich wie auf dem Motorrad, gepaart mit dem kleinen „Extrakick“ eine Todesstraße am tiefen Abgrund mit dem Radl runter zu heizen. Eigentlich ist hier nur wenig technisches Fahrniveau nötig. Wer es kann, kann hier durchaus fast ohne Bremsen die flowige Abfahrt genießen. Das Problem ist bei einigen eben nur der Unterschied zwischen „wollen“ und „können“. Mindestens 3 der 5 Latinos legen sich innerhalb der ersten 20 Fahrminuten filigran auf die Fresse, weil sie offensichtlich schneller fahren wollen als können. Für einen Raser gehts nach dem Sturz im Van weiter, zum Glück hatte der Abgrund heute keinen Appetit… Ein bisschen genervt sind wir von den riskanten Überholmanövern bzw. Drängeln der Latinos und einer „kämpft“ stets um den Platz an der Spitze mit Simon. Für uns ist das hier allerdings kein Rennen und Simon ist ihm fahrtechnisch sowieso weit überlegen. Später lockern die Guides die Gruppe etwas mehr auf, sodass wir die Abfahrt voll auskosten können (und in die Kurven fahren ohne Bedenken einen gestürzten Latino zu überfahren! 🙈).

Beim nächsten Halt müssen wir uns erstmal ganz dringend einer Jacke und Hose entledigen, denn es wird immer wärmer und tropisch-schwül je tiefer wir kommen. Es gibt ein Sandwich und Saft an einer kleinen Hütte und auch die Möglichkeit eine eher wenig spektakuläre Zipline zu fahren, das Geld sparen wir uns aber lieber. Dann düsen wir nochmal weitere 45 Minuten am schönen Bergpanorama vorbei, ein paar einfache Bergleute trocknen Cocablätter am Straßenrand und wir überqueren ein paar kleine Bäche. Es wird immer heißer und wir können das feuchte Dschungelklima bereits spüren.

Dann ist bereits das Ziel in Sicht und in einem kleinen Dorf im Tal auf nur noch 1200 Höhenmetern rollen wir eine Bar an. Wir sind fast etwas enttäuscht, da wir uns die Fahrt länger vorgestellt haben und wir uns jetzt erst richtig eingefahren haben. Simon hätte sich auch eine etwas anspruchsvollere Strecke gewünscht. Die Tour kann jedoch wirklich jedem empfohlen werden, der schon mal auf einem MTB gesessen hat. Cracks kommen hier vom Fahrniveau wohl eher weniger auf ihre Kosten, aber allein wegen des Nervenkitzels und der atemberaubenden Landschaft besonders zu Beginn lohnt es sich allemal. In der Bar gönnt sich Simon ein Bier und die Guides halten die Abschlussrede inklusive einiger Fakten und Geschichten zur Death Road. Tatsächlich sind bereits Menschen bei der Abfahrt mit dem MTB in den Abgrund gestürzt und tödlich verunglückt, auch bei unserem Anbieter. Unfälle mit Brüchen gibt es jedoch häufiger und auch heute musste ein deutsches Mädchen mit dem Krankenwagen nach La Paz gefahren werden. Ein Freund von ihr berichtet später, dass der komplizierte Bruch im Handgelenk sogar hier in Bolivien sofort operiert werden musste. So ganz „easy“ ist die Abfahrt dann also doch nicht, aber wir hatten unsere Schutzengel heute dabei.

Nach der Erfrischung werden Räder und Mannschaft wieder eingeladen und in ein 10km entferntes Dschungelresort gebracht. Wir sind alle richtig ausgehungert und es gibt endlich was zu Futtern in Form eines üppigen Buffets. Wir gehen duschen und ein netter Pool mit Liegen ist ebenfalls vorhanden, sodass wir noch etwas Zeit für eine Abkühlung und ein weiteres „Cerveza“ haben bevor wir die Rückfahrt antreten.

Wir sind die einzigen, die nicht zurück nach La Paz fahren und lassen uns stattdessen in Yolosita, einem Verkehrsknotenpunkt mit unserem Gepäck absetzen. Von dort nehmen wir ein Sammeltaxi zum Bergdorf Coroico, wo wir 2 Nächte verbringen werden…

La Paz

Ein Ausfug auf schwindelerregende Höhe

Es ist wieder etwas kühler hier in La Paz, da wir nun wieder auf 3800 Höhenmetern sind. In der Sonne kann es richtig warm werden und Sonnencreme ist bei der Höhe Pflicht, da man sich leicht verbrennt. Im Schatten wird es schnell kühl, wir ziehen also beim Erkunden der Stadt ständig die Jacke an und aus. Wir kommen erst am Spätnachmittag in La Paz an und, da wir im Bus heute nur gesnackt haben, gehen wir nach dem Checkin gleich auf Restaurantsuche. Die Lage des vintage Hostels ist perfekt und viele Sehenswürdigkeiten sind direkt um die Ecke. Wir laufen steil bergauf die Straße hoch und schnaufen schwer, weil uns der Sauerstoff ausgeht. Es wird bereits etwas kühl und so finden wir schließlich einen Suppenladen. Leider eine der bisher schlechtesten Suppen auf der Reise und was ist eigentlich dieses schwarze, komische Zeug das wie 💩 aussieht? Wir fischen es aus der Suppe und keiner von uns beiden möchte es probieren. Dafür sehen die Brötchen hier umso besser aus. Gegen Abend stehen Frauen mit riesigen Körben an jeder Straßenecke und wenn man Glück hat sind sie sogar noch warm. Die besten Brötchen, die wir auf der bisherigen Reise finden konnten und schmecken so gut wie vom guten Bäcker in Deutschland!

Nachdem wir am nächsten Tag die „Iglesia San Francisco“ und das Regierungsviertel besucht haben, laufen wir zu einem Aussichtspunkt hoch. Von hier kann man die Dimensionen der Stadt erkennen und wir bestaunen die vielen Seilbahnen.

Zurück in der Stadt ist Simon ziemlich platt, die Höhe macht ihm diesmal ganz schön zu schaffen. Simon legt sich ab und Ulrike checkt ein schnuckeliges, veganes Restaurant namens Namaste ab. Hier gibt es ein leckeres Mittagsmenü. Auf dem Rückweg geht es dann in der Apotheke vorbei, um Simon ein paar Sorojchi Pillen gegen die Höhenkrankheit zu besorgen. Die Locals schwören auf die darin enthaltene Mischung aus Aspirin und Koffein. Später geht es ihm schon etwas besser, sodass wir noch zum „Witches Market“ und ins Cocamuseum um die Ecke laufen. Der Markt hat uns, obwohl es eine DER Sehenswürdigkeiten sein soll, nicht überzeugt. Wir hatten ja bereits ein wenig über kuriose Bräuche der indigenen Bevölkerung geschrieben und auf diesem Markt kann man eben alles Mögliche an Hokuspokus kaufen. Es sind dort mittlerweile jedoch mehr Souvenirläden als Kräuterhexenläden…schade! Selbst in Arequipa oder Sucre war die Sektion auf dem normalen Markt größer und vielfältiger als hier…erst dachten wir sogar wir wären in der falschen Straße. Dafür beeindruckt uns das Cocamuseum umso mehr! Am Eingang wird uns eine Lektüre ausgeteilt, die die Informationstafeln in Deutsch übersetzt. Die kleine Ausstellung auf geschätzten 30qm besteht aus liebevoll zusammengetragenen Informationen über die uralte Kultur von Coca, Konsum, Bräuchen und Wirkungsweise des Cocablätterkauens, die Entdeckung von Kokain und die verheerenden Auswirkungen des weltweiten Kokainhandels. Hier ein paar Facts, die ihr vielleicht nicht kanntet:

• Die indigene Bevölkerung macht seit mehr als 8000 Jahren Gebrauch von Coca und Coca ist fest verwurzelt in der Gestellschaft und Bräuchen. Ohne Cocablätter wird kein Geschäft oder Vertrag geschlossen, beim Vater um die Hand der Tochter ohne Coca anhalten ist undenkbar, Konflikte werden mit Coca besänftigt…Coca umfasst einfach ALLE sozialen Aktivitäten und wird als Zeichen des guten Willens gesehen.

• Coca ist ein Symbol der indigenen Identität. Cokakauen gehört zur guten Manier und wer kein Coca kaut wird als antisozial oder Fremder der Gemeinde betrachtet. Es ist einfach nicht aus der Gesellschaft wegzudenken.

• Wusstet ihr das man neben anderen spirituellen Ritualen sogar Cocalesen betreibt, ähnlich wie Kaffesatz lesen?

• Durch die Ausweitung der Sklavenarbeit in den Silberminen von Potosí und die damit verbundene Wichtigkeit von Cocakauen, waren Cocablätter damals sogar als Währung anerkannt.

• Mit der Entdeckung von Kokain als Betäubungsmittel und „Wunderdroge“ im 19 Jahrhundert blüht das Geschäft jedoch erst richtig auf. Cokainprodukte wie Marianiwein und Coca Cola werden weltberühmt.

• 1961: Der Gebrauch von Kokain und Cocablättern wird weltweit verboten, nur Coca Cola darf sein Monopol behalten und Coca weiterhin als „Geschmacksverstärker“ benutzen. In Coca Cola ist natürlich kein Kokain enthalten, jedoch verarbeitete das Monopolunternehmen im Jahr 1995 zB noch 204 Tonnen Coca.

• Coca ist gesund! Bereits 100g Coca decken mehr als den täglichen Bedarf vieler Nährstoffe und Vitamine! Hier ein Überblick:

• Benutzt man beim Kauen eine alkalische Substanz, im bolivianischen Amazonasgebiet z.B. Palmaasche und ein Stück Baumrinde, können 90% der Nährstoffe aufgenommen werden.

• Cocakauen macht nicht abhängig und kann sogar Krankheiten vorbeugen; verhindert unter anderem Darmkrebs und Demenz, reguliert den Zuckerstoffwechsel und kann Fettleibigkeit vorbeugen.

• Bolivien als „Verantwortlicher für das Drogenproblem“ gibt nach dem kalten Krieg dem Druck der USA und UNO nach und verabschiedet Antidrogengesetze, die die Ausrottung des nun illegalen Anbaus erwirken sollen. Stellt euch mal die Frage wer nun den Handel kontrolliert und ob das „Problem“ nun an der „Wurzel“ gepackt wurde. Der Anbau von Mohn, aus dem Opium und Heroin hergestellt wird, ist in ganz Europa legal. Bahnen nicht erst die Antidrogengesetze den Weg für illegale Geschäfte? Es gibt viele Kritiker, die eine Legalisierung anstreben.

• Die USA sind mit knapp 50% und rund 40 Milliarden US$ pro Jahr Hauptkonsument von Kokain. Die Erzeuger und damit auch bolivianischen Bauern verdienen an diesem Geschäft jedoch im Verhältnis kaum. Sobald 1kg Kokain (ca. 3000$) das Herstellungsland verlässt, steigt der Wert um das 10-fache und um das 50-fache sobald es Europa erreicht. Je nach Reinheitsgrad kostet das Kilo nun ca 100.000$! (Wir sparen uns an dieser Stelle Informationen zu Kartellen, der Mafia, Gewalt, Korruption und Terrorismus…ein ganz spannendes Thema, dass wir hier nicht vertiefen wollen, da es sonst den Blog sprengen würde! 😂)

• Und für alle die nun in dieses lukrative Geschäft einsteigen möchten noch ein paar Rezepte! 😜

In La Paz geht es am nächsten Tag steil hinauf – wir wechseln das Transportmittel und fahren mit dem „Teleferico“, ein Seilbahnsystem das La Paz vernetzt und sogar bis nach El Alto führt. Schon gestern hatten wir die vielen Seilbahnen vom Aussichtspunkt über die Stadt fliegen sehen. Vom „Tal“ in der Innenstadt nehmen wir die lila Linie, die uns bestimmt 400m steil hinauf führt und eine atemberaubende Sicht über La Paz bietet. Die Einheimischen neben uns im Wagon verstehen unsere ganze Aufregung sicher nicht, denn für sie ist es wie bei uns jeden Tag Busfahren. Erbaut von Schweizern ist dies ein ganz elegantes und superschnelles Fortbewegungsmittel in der Stadt, dem trotz ein wenig Ruckeln auch Simon schließlich auch vertraut.

Wir hatten bereits ein Kombiticket gekauft und wechseln in die graue Linie, die uns entlang der Bergkante fährt. Schon bald entdecken wir von oben die ersten Marktstände. Unser heutiges Ziel ist der „Mercado 16 de Julio“, der größte Markt Boliviens. Und wir können euch sagen es ist der größte Markt, den wir jemals gesehen haben…da kann selbst Bangkok einpacken. Man findet hier ALLES, von Lebensmitteln, Drogerieartikeln, Kleidung, Elektrowaren über Autoersatzteilen usw. Als wir später noch mit der blauen Linie bis nach El Alto fahren, erkennen wir erst aus der Vogelperspektive das gesamte Ausmaß des Marktes, der sich über hunderte Straßen erstreckt. Wir sind ein paar Stunden drüber gelaufen, aber haben bei Weitem nicht alles gesehen.

Zur Mittagszeit sitzen wir beengt neben ein paar Locals und schlürfen eine „Sopa de Mani“, traditionell Bolivianische Erdnussuppe.

Ulrike ist ganz begeistert von den Kleidern der indigenen Frauen, die in Peru und Bolivien „Cholitas“ genannt werden. Heute haben sich viele für den Donnerstagsmarkt besonders hübsch herausgeputzt und tragen feine Stoffe und verzierte Söckchen. Da es echt blöd ist Leute auf der Straße abzulichten, haben wir nur heimlich ein paar Fotos von hinten gemacht. So könnt ihr aber zumindest auch die traditionellen langen Zöpfe der Cholitas sehen. Leider haben wir es nicht mehr ins Cholita-Museum geschafft und hier noch etwas mehr über die traditionelle Bekleidung gelernt. Auf den ersten Blick sieht das Outfit nämlich ziemlich gleich aus, es gibt jedoch feine Unterschiede. So gibt Form und Tragen der Hüte zum Beispiel Aufschluss über den Familienstand und Rang in der Gesellschaft. Ach, und wusstet ihr das die Cholitas sogar eine eigene Wrestlingszene haben? Sich ein Match anzuschauen steht bestimmt auf der To-Do-Liste der nächsten Reise nach Bolivien. Simon besorgt sich noch Cocablätter zum Kauen, denn auch die helfen gegen die Symptome der Höhenkrankheit.

Den Rest des Tages machen wir noch ein paar Erledigungen. Simon versucht Equipment für die GoPro nachzukaufen und läuft auf der Suche nach einer Schraube für die Befestigung am Helm quer durch die Stadt. Ulrike lässt sich in der Friseurstraße um die Ecke „die Spitzen“ schneiden, doch die Haare werden leider viiiiel zu kurz. Das hat bisher jeder 2 EUR Friseur auf der bisherigen Weltreise besser hingekriegt…hmpf das kann jetzt mal schön wieder ein Jahr nachwachsen! Wir recherchieren am Abend noch einiges und buchen Hotel und einen Flug mit Amazonas, da wir davon ausgehen die nächsten Tage sehr schlechtes oder kein Internet im Dschungel zu haben. Dann packen wir unseren Rucksack, denn morgen früh werden wir bereits um 7 Uhr mit ganzem Gepäck abgeholt. Simon ist total entspannt, aber Ulrike kann vor Aufregung kaum schlafen…morgen fahren wir mit dem Mountainbike die Death Road!

Cochabamba

Im Herzen Boliviens

Wir suchen ein Gym, dass Samstagnachmittags geöffnet ist und fahren daher mit dem Bus einmal ans andere Ende der Stadt…eine nette Stadtrundfahrt. Das Gym liegt zufälligerweise in einer Gegend, wo heute ein riesiger Markt stattfindet. Es ist so wuselig und teilweise kaum ein Durchkommen. Nach dem Training sind wir ausgehungert und suchen erstmal eine Polleria, es gibt mal wieder Grillhähnchen für die extra Portion Eiweiß. 🙈

Dann erkunden wir den riesigen Markt und kaufen ein wenig ein. Die saftigen Chirimoyas springen uns direkt ins Auge. Hier in Cochabamba ist es wieder tropischer und es gibt eine gute Auswahl an Früchten und den größten Avocados die wir jemals gesehen haben. Die Prachtexemplare sind aber zu groß als das Ulrike sie in 2 Tagen essen könnte. Brot und Gebäck wird aus dem Kofferraum der Autos verkauft, frische Milch to go in Plastiktüten abgefüllt. Wir kaufen der herzlichen Cholita jedoch nur ihren frischen Käse ab. Überall wird gerufen, gedrängelt, Wagen voll mit Verkaufsgütern an uns vorbei geschoben und dann quetschen sich noch Busse durch die Menschenmenge. Es ist die reinste Reizüberflutung! Nachdem wir alles gefunden haben, was wir brauchen, sagt der Blick auf die Uhr das wir schon ziemlich spät dran sind. Wir versuchen ausfindig zu machen welcher der vielen Busse uns ans andere Ende der Stadt karren kann, jedoch ohne Erfolg. Wir stoppen einen Taxifahrer, doch er transportiert heute jedoch nur Möbel (ja man kann hier ALLES kaufen)?! Wir bahnen uns durch zur Hauptstraße und finden mit viel Glück ein freies Taxi, auch wenn wir mit dem Preis nicht so ganz einverstanden sind! Wir sind platt von der durchgemachten Nacht in Bus, dem harten Training und dem super chaotischen Markt. Gerne würden wir uns jetzt nochmal für ein paar Minuten ablegen. Wir sind jedoch verabredet und haben grad noch ausreichend Zeit uns fertig zu machen.





Clemencia und ihr deutscher Mann Olaf kommen und zum Essengehen abholen. Mit Clemencia hat Ulrike vor ein paar Jahren bei cosnova zusammengearbeitet. Sie ist die Distributorin für Bolivien und war eine der liebsten Kunden. Wir haben uns immer gefreut uns auf der jährlichen Sales Conference zu sehen. Olaf lebt bereits viele Jahre in Bolivien und importiert deutsches Bier ins Land. Wir haben einen lustigen Abend zu viert in einem traditionellen, bolivianischen Restaurant. Vertieft ins Gespräch haben wir ganz vergessen ein Erinnerungsfoto zu schießen, dass wir mit euch teilen könnten. Danke ihr beiden für die Einladung und eure Gastfreundschaft!

Wir erkunden am nächsten Tag die Stadt zu Fuß, nachdem es aufgehört hat zu regnen. Die Stadt ist ganz nett, aber Sonntags vieles geschlossen. In einem großen Kinogebäude ist jedoch ganz schön was los. Wir suchen hier die Toilette auf und entdecken Frozen Yoghurt, den wir anschließend auf der Bank vorm Kino verspeisen und die Jugendlichen beobachten.


Wir stecken einiges an Zeit in Recherche, da wir unschlüssig sind welche Route wir einschlagen sollen. Eigentlich waren wir nach Cochabamba gekommen, um von hier aus östlich einen Abstecher ins 4 Stunden entfernte Villa Tunari zu machen. Hier gibt es einen Nationalpark und man kann Touren in den Dschungel machen. Wir erfahren jedoch, dass es dort aber gar nicht sooo toll sein soll, der Wetterbericht sieht ziemlich verregnet aus und zudem ist der Ort wohl Basis von Morales. Andere hübschere Orte mit Option einen Ausflug in den Dschungel zu machen gäbe es bei Santa Cruz, jedoch schrecken uns die vielen Busstunden ab, die wir ja auch alle nochmal zurück nach La Paz nehmen müssen. Ihr seht Reisen ist manchmal gar nicht so „leicht“. Wir schlagen nun also die entgegengesetzte Richtung ein und buchen eine Unterkunft in La Paz, von da aus soll es dann trotz Regenzeit nach Norden in den Amazonas gehen.

Wir gehen in Cochabamba gleich noch ein Gym fußläufig von unserer Unterkunft testen. Zwischen den Regenschauern ist es mit Sightseeing eh etwas schwierig. Am Nachmittag besorgen wir Kuchen und gehen Clemencia und ihr Team im Büro besuchen. Eine nette Überraschung! Leider ist es danach schon etwas spät geworden, sodass wir es nicht mehr schaffen zur Christusstatue „Cristo de la Concordia“ hochzulaufen. Sie ist mit ca 40m die zweithöchste Christusstatue der Welt, und somit auch größer als die in Rio, Brasilien. Aber auch von unten aus der Stadt ist sie aus fast jeder Straße oben auf dem Berg zu sehen. Da es schon fast dunkel ist fährt Clemencia uns heim und wir gehen spontan noch schnell im Supermarkt etwas zusammen einkaufen. Außer mal wieder Rucksackpacken passiert am letzten Abend nicht mehr viel.


So friedlich wie die Atmosphäre in Cochabamba ist kann man sich kaum vorstellen, dass vor 4 Wochen hier heftige Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und Cocabauern von Morales stattgefunden haben. Wir fahren auch an der Polizeistation vorbei, die in den Medien gezeigt wurde, als sich die Polizei gehägen die Regierung stellte. Wir lernen auf unserer Reise durch Bolivien einiges über die „wahren“ Ereignisse im Land und die Meinung der Bevölkerung, interessant und erschreckend zu gleich. Da das hier aber kein politischer Blog ist, werden wir dies nicht weiter ausführen. Denkt einfach mal drüber nach, ob ihr immer glauben wollt was die Presse abdruckt. Zum Zeitpunkt unserer Reise werden wir mit keinerlei Demonstrationen oder gewalttätigen Handlungen konfrontiert und ihr könnt uns in absoluter Sicherheit wiegen!

Sucre

Die weiße Stadt

Wir kommen am Spätnachmittag in der Hauptstadt Boliviens an und nehmen ein „Trufi“, ein Bolivianisches Sammeltaxi vom Busbahnhof in die Innenstadt. Nun denkt man eine Hauptstadt ist groß und laut und dreckig, aber die Innenstadt von Sucre hat schon ihren Charme. Klar ist es wuselig auf den Straßen, aber es gibt keine Wolkenkratzer sondern viele hübsche, weiße Kolonialgebäude und Kirchen reihen sich aneinander.





Da das Trufi nur ungefähr am Hauptplatz vorbeifährt, haben wir mit Gepäck noch ein gutes Stück zu laufen. Unsere Unterkunft ist wunderschön und eine der besten der bisherigen Reise. Ein großes Zimmer mit liebe zum Detail, nette Nachbarn, riesige Gemeinschaftsküche und schöner begrünter Innenhof…für 12 EUR pro Nacht. Der Besitzer ist super lieb und freut sich über ein voll gebuchtes Gästehaus, was er erst vor 2 Monaten eröffnet hat. Wir fühlen uns bei Ankunft bereits richtig zu Hause! Im großen Supermarkt um die Ecke gibt es alles was macht sucht und sogar „Pan Aleman“, deutsches Brot. Das schreit nach einem deutschen Abendbrot mit Schinken, Käse, Senf, sauren Gürkchen und ner Suppe! 😂




Wir schlafen wie Babys und nach dem Frühstück und ein bisschen Recherche machen wir uns auf den Weg ins Gym etwas außerhalb des Zentrums. Nach 40min Fußmarsch müssen wir jedoch feststellen, dass Siesta in Bolivien wohl ab 12 Uhr ist und es sich nun nicht mehr lohnt. Wir checken noch 2/3 andere Studios in der Gegend ab, jedoch hat keins über Mittag auf…hmpf. Also laufen wir noch ein gutes Stück weiter zum Busbahnhof und organisieren ein Ticket nach Cochabamba. Es scheint tatsächlich nur Nachtbusse zu geben und so buchen wir den komfortabelsten und teuersten Bus. Wir beenden unsere Erkundungstour zu Fuß und gehen Mittag essen… das Gym muss dann eben bis heute Abend warten.

Auf dem Markt haben wir eingekauft und den Kühlschrank gefüllt. Es gibt hier auch so viele Stände mit magischen Kräutern, Wurzeln und die Kräuterhexen verkaufen Medizin gegen jede Krankheit. Nach dem Gym kochen wir einen großen Topf Linsensuppe. Irgendwie haben wir so einen Punkt erreicht, an dem sich das nicht allzu vielfältige Menü der kleinen Restaurants und Streetfood ständig wiederholt und wir froh sind unser eigenes Essen zubereiten können.


Am nächsten Tag fahren wir mit einem Trufi zum „Castillo de la Glorietta“, einem Schloss 20min außerhalb des Zentrums. Ob sich der Ausflug wirklich gelohnt hat, ist jedoch fragwürdig. Das Schloss ist von außen ganz hübsch anzuschauen, jedoch werden wir nach 5min gebeten Eintritt zu zahlen. Wir dachten der Eintritt galt nur dem Museum, das nicht lohnend sein soll, doch muss man anscheinend den vollen Eintritt zahlen auch wenn man nur mal drumherum läuft. Uuuups das haben wir nicht gewusst…unser Ausflug ist also ziemlich schnell beendet. Ein paar Schnappschüsse vom Schloss hatten wir jedoch bereits gemacht.




Wir fahren zurück zum Hauptplatz und machen dort statt im Schlosspark unser Picknick. Wie in jeder Stadt in Südamerika ist hier Treffpunkt für groß und klein, egal zu welcher Uhrzeit. Wir machen es also wie die Einheimischen und verbringen den ganzen Nachmittag hier und genießen das, im Gegensatz zu Potosí warme Wetter. Wir beobachten die Leute, lernen Spanisch und machen neue Bekanntschaften. Pablo sitzt neben uns auf der Bank und kommt ursprünglich aus Santa Cruz. Mit einer Mischung aus Englisch und Spanisch können wir uns gut verständigen. Die Bolivianer sind grundsätzlich ein sehr freundliches Volk und stellen neugierig Fragen wer ihr Land bereist…bis auf einige wenige, die „reiche“ Gringos versuchen abzuziehen. Von den 4 Ländern, die wir bisher in Südamerika bereist haben, muss man in Bolivien nämlich am meisten aufpassen nicht übers Ohr gehauen zu werden. Aber meist muss man nur lächeln und sagen das man den richtigen Preis kennt…



In Sucre hätten wir es auch gut noch ein paar Tage aushalten können. Die Stadt ist auch bekannt unter Langzeitreisenden, um günstig Spanisch zu lernen. Hätten wir ein bisschen mehr Zeit würden wir hier nochmal einen Kurs machen. Wenn man an abgelegenen Orten unterwegs ist, schätzt man auch mal für ein paar Tage alle Annehmlichkeiten und Angebote einer Großstadt. Seit Beginn unserer Reise finden wir das erste mal Naturjoghurt, der nicht gesüßt ist! Auf dem Markt gibt es neben zahlreichem Obst, Saaten und Nüsse. Die frischen Paranüsse sind die leckersten, die wir jemals gegessen haben und wir füllen unsere mobile Vorratskammer auf. Am letzen Morgen bereiten wir uns ein kaiserliches Musli, Fruit & Yoghurt zu. Dann machen wir noch ein paar Erledigungen, Wäsche, kaufen Simon neue Unterhosen und hängen den Tag noch mehr oder wenig ab.

Der Nachtbus fährt erst um 21 Uhr und wir hoffen diesmal, dass er verspätet ankommt. Denn eigentlich wollen wir aus Sicherheitsgründen lieber im Hellen in Cochabamba ankommen. Wir hatten Abenteuerliches über die schlechte Strecke gehört, können dies jedoch nicht bestätigen. Klar ist die Straße nicht besonders eben, aber wir haben bereits schlimmere Strecken gemeistert. Es ist nur wieder mal fürchterlich heiß im Bus und es lassen sich keine Fenster öffnen. Wir schlafen also mehr oder weniger wieder nur im Top und ohne Socken. Die Luft im Bus ist wirklich fürchterlich… Um bereits 5 Uhr, früher als geplant, schmeißt uns der Bus im Stockfinsteren am Busbahnhof raus und hier ist ganz schön was los um die Uhrzeit! Wir haben leider keine Möglichkeit unser Airbnb über die frühere Ankunft zu informieren, das Internet im Busterminal funktioniert nämlich nicht und so steigen wir auf gut Glück in eins der zahlreichen Taxen. Das wir noch früher als ausgemacht reingelassen werden ist jedoch in dem Moment nicht unsere einzige Sorge, denn nachts ein beliebiges Taxi heranzuwinken ist nicht unbedingt sicher. Zu allem Glück fängt es noch an zu regnen… Doch der Taxifahrer hat nichts Böses im Sinn und lässt uns in einem Wohngebiet für recht gut betuchte Bolivianer raus. Da die Klingel nicht funktioniert, hat unser Airbnb Host uns bereits das WLAN Passwort geschickt, was es einfacher macht das richtige Haus ausfindig zu machen. Nach einem kurzen WhatsApp Anruf dürfen wir um 6 Uhr morgens Einchecken. Wir sind super happy, dass alles geklappt hat und legen uns nochmal ein paar Stündchen schlafen.

Potosi

und der härteste & gefährlichste Job der Welt!?

Nach relativ kurzen 4 Stunden kommen wir pünktlich mit dem Bus in Potosi an und nehmen uns ein Taxi zu unserer vorgebuchten Unterkunft. Leider finden wir sie nicht auf Anhieb, der Taxifahrer kennt sie nicht und mehrere Passanten schicken uns erstmal in die falsche Richtung. Eine Dame aus der Touristenbranche weißt uns dann, nachdem uns der Taxifahrer rausgeschmissen hat, endlich den richtigen Weg. Die Freude es gefunden zu haben, währt jedoch nur kurz, denn es ist außer einem Gast kein Mensch in dem Gewölbe. Obwohl wir das Zeitfenster zwischen 13-14 Uhr ziemlich genau angegeben haben, ist einfach kein Check-In möglich. Nach 15 Minuten im kalten und modrig riechenden Gewölbe fällt die Entscheidung eine neue Bleibe zu suchen. Ulrike macht sich auf den Weg während Simon die ehrenvolle Aufgabe übernimmt, das Gepäck zu bewachen. Keine halbe Stunde später ist Ersatz gefunden, zum Glück nur wenige Meter weiter und dazu noch günstiger und schöner. Auf die Stornierungsemail kam nie eine Antwort…war wohl ein Geisterhaus…

Da wir uns nun auf über 4000m Höhe befinden, wird es nach Einbruch der Dunkelheit knackige 8 Grad kalt! Da hilft nur einzwiebeln mit allem was da ist, genauer gesagt 5 Decken im Bett im nicht isolierten Haus. Die Bolivianer tragen alle mehrere Schichten Klamotten, draußen sowie natürlich in den kalten Häusern drinnen…da kam die nicht unberechtigte Frage einer Mitreisenden auf: „Wie machen die eigentlich Kinder in der kalten Bude mit X Schichten Klamotten?“.😂 Uns wärmt an diesem Abend die brodelnde Lavasteinsuppe „Karapulca“, eine regionale Suppe auf Maisbasis, auf. Durch einen Lavastein in der Suppe raucht und sprudelt die Suppe sensationell!

Auch den auf ca. 60% reduzierten Sauerstoffgehalt merkt man jetzt mit jedem Schritt. Es sollen die höchstliegenden Nächte der bisherigen Reise sein und wahrscheinlich auch bleiben….einfach zu kalt! Nach einem ziemlich bescheidenem bolivianischem Frühstück erkunden wir heute einfach die Stadt mit ihren unzähligen Kirchen und Kathedralen. Leider ist nur recht viel geschlossen, da Sonntag ist. Zum Glück hat jedoch unser ausgewählter Tourenanbieter offen, um eine Tour in die berüchtigten Silberminen von Potosi zu organisieren. Der Guide spricht einwandfrei Englisch und so buchen wir die Tour für den nächsten Tag, Sonntags wäre dort eh nichts los.

Ganz entspannt geht’s am nächsten Tag um 10 Uhr los. Lediglich ein anderes Pärchen aus Urugay ist mit an Bord des Busses, die jedoch einen Spanisch sprechenden Guide haben. So haben wir mal wieder eine Privattour. Der erste Stopp ist der „Mercado de Mineras“. Hier bekommt man alles was das Minenarbeiterherz höher schlagen lässt und für den Abbau gebraucht wird. Die in Kooperativen zusammengeschlossenen Minenarbeiter sind selbstständig und und müssen sich daher selbst ausstatten: Bekleidung, Helme, Lampen, Schaufeln, 96%igen Alkohol, Dynamit und vieles mehr. Dynamit? Richtig! Hier kann JEDER ohne irgendwelche Lizenzen und Genehmigungen einfach Dynamit kaufen, der einzige Ort auf der Welt an dem das legal möglich ist. Ein sogenanntes „Completo“ besteht aus Dynamit, Zündschnur und Verstärkerladung und kostet nur 20 BOB / 2,50 Eur! Es ist üblich den „Mineras“ ein paar kleine Geschenke mitzubringen, da sie uns ihren Arbeitsplatz hautnah erleben lassen. Und so nehmen wir neben Dynamit ein paar Flaschen Softdrinks für die schweißtreibende Arbeit mit. Freitags wäre eher Hochprozentiges angebracht. Ein alter Mann sitzt am Straßenrand und verkauft Schweineköpfe…sehr bizarrer Markt…

Im Bekleidungsdepot werden wir mit allem Nötigen ausgestattet, was für die Begehung der Mine nötig ist. Eine halbe Stunde später stehen wir nochmal 500m weiter oben auf dem Montaña „Cerro Rico“, übersetzt Reicher Berg, direkt vor dem Eingang einer der Minen. Die ersten bis zu 2 Tonnen schweren Gleisschütten mit Geröll kommen uns draussen entgegengeschossen, alles nur per Muskelkraft von 2-3 Arbeitern angetrieben.

Nun heißt es aber Licht an und ab in den dunklen Stollen. Die ersten paar Hundert Meter sind noch relativ geräumig, wir müssen nur immer mal wieder den Gleischütten seitlich ausweichen, denn wenn diese einmal rollen, dann rollen sie! Die Arbeiter hüpfen dabei immer mal wieder hinten drauf, um ein paar Meter mitzufahren bevor sie wieder anschieben. Unser Guide übergibt ihnen bei rasender Geschwindigkeit die Softdrinks.

Umso tiefer wir in die Mine eindringen, umso enger und verwinkelter werden die Gänge. Für Klaustrophobige oder generell ängstliche Persönlichkeiten, ist das hier definitiv nichts. Zudem sollte man körperlich recht fit sein, denn wir befinden uns immerhin auf 4500m Höhe, es ist warm, die Luft ist extrem staubig und das gebeugte und gehockte Gehen super anstrengend. Das der gesamte Berg, der durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse, einsturzgefährdet ist und bereits über 8 Millionen Menschenleben seit Beginn des Abbaus im 17 Jh gefordert hat, gibt der Psyche ordentlich Futter. Die fragwürdigen, wenig vorhandenen alten Stützbalken, wecken nur wenig Vertrauen. Sicherheitsvorkehrungen jeglicher Art sind schlicht nicht vorhanden.

Bei einer Verschnaufpause in einem etwas größerem Raum, erzählt unser Guide die Geschichte des Bergs, über die harten Arbeitsbedingungen und die Kultur der Mineros. Außerdem sitzen wir neben „El Tio“, einer großen rituellen Teufelsfigur, die liebevoll „der Onkel“ genannt wird. Er wird verehrt, geschmückt und mit hochprozentigem Alkohol überschüttet ganz im Sinne von „Pachamama“, Verehrung von Mutter Erde der indigenen Völker. Plötzlich knallt es, die Explosionen von Dynamit sind in der Ferne zu hören und der dumpfe Bass zieht uns durchs Mark. Das ist kein Scherz und dies ist keine stillgelegte „Touristenmine“, sondern der Arbeitsplatz vieler Potosianer. Wir lauschen bei düsterer Atmosphäre den Infos unseres Guides und ein paar Facts möchten wir mit euch teilen.

Im Cerro Rico arbeiten 15000 Mineros verteilt auf 400 Minen und über 100km Stollen. Frauen arbeiten nur Außerhalb der Stollen. Die jüngsten Arbeiter sind 14, ja Kinderarbeit ist offiziell verboten doch kontrolliert das hier keiner. Und wer soll schließlich das Brot für die Familie verdienen, wenn der Papa sein Leben in der Mine gelassen hat?! Die Minen sind aufgeteilt auf 12 Kooperativen. Bergarbeiter, meist Gruppen aus 3-15 zusammen gefundenen Personen oder Familien kaufen Bereiche in den Minen und zahlen eine Gewinnbeteiligung an die Kooperative sowie Steuern an den Staat, je nach Erlös. Die Arbeiter agieren selbstständig und bestimmen über Arbeitszeit und Vorgehensweise. Es gibt eine Hierarchie, 1st Class Miner (10 Jahre Erfahrung) bis 3rd Class Miner (Neueinsteiger) und daran orientieren sich auch die aufgeteilten Erlöse des Abbaus. Das Gehalt eines guten Mineros beträgt ca. 500 Euro im Monat und damit 3x mehr als der Durchschnitt eines Arbeiters in Potosi. Die Arbeiter essen in den Minen nicht, teilweise sogar 12 Stunden oder mehr, denn die Nahrung wäre mit giftigem Staub kontaminiert. Um die harte Arbeit bewältigen zu können und den Hunger zu unterdrücken, werden große Mengen Coca-Blätter gekaut. Sie liefern Energie und betäuben die Schmerzen. Werkzeuge und Zubehör werden aus eigener Tasche gezahlt und außer Presslufthammer und Bohrer gibt es keine andere technische Hilfsmittel. Die Hauptabbauprodukte sind Silber, Zink, Zinn, Blei und Kupfer und werden von den Mineros in Säcken mit rund 50kg durch die engen Gänge geschleppt. Anschließend können die Abbauprodukte mit Hilfe der bis zu 2 Tonnen schwer beladenen Gleisschütten nach draußen befördert werden.

Eine Dynamitladung sprengt ein Loch von ca. 60cm in den Fels, die Zündschnur brennt 3 Minuten und somit kann der „Sicherheitsabstand“ von 40 Metern eingehalten werden. Der Berg ist durch die ganzen Tunnel jedoch bereits von 5000m auf 4700m abgesackt und ist permanent einsturzgefährdet. Die Regierung wollte den Bergbau aufgrund der hohen Einsturzgefahr bereits einstellen, ex-Präsident Evo Morales hat dies jedoch verhindert. Der Ort Potosi würde sich ohne Bergbau in eine Geisterstadt verwandeln, da es kaum noch Arbeitsplätze geben würde. Seit dem 15. Jahrundert sind ca. 8 Millionen Menschen im Zusammenhang mit dem Bergbau in Potosi ums Leben gekommen. Heutzutage sind es immerhin noch ca. 50 Mineros pro Jahr, die durch Unfälle umkommen. „Wir essen die Mine und die Mine isst uns!“ Wer nicht durch Unfälle stirbt, hat jedoch mit 45-55 Jahren keine lange Lebenserwartung und viele erkranken an der Lungenkrankheit Silikose (Quarzstaublunge). Obwohl man sich dieser Tatsache bewusst ist, trägt niemand einen Atemschutz trotz des giftigen Staubs. Mit Mundschutz wäre das Atmen in der Mine kaum möglich.

Freitags wird besonders viel getrunken und El Tio rituell mit Alkohol und Zigaretten beschenkt, um seine Gunst für sicheres Arbeiten zu erlangen. Ein anderes glückbringendes Ritual ist es, im Juni zur Sommersonnenwende Lamas zu schlachten, die Mineneingänge mit deren Blut zu bespritzen und das Fleisch anschließend beim BBQ zu verzehren. Kopf und Eingeweide werden verscharrt, als Geschenk für Pachamama, Mutter Erde. Klingt brutal, gehört aber zur Kultur der indigenen Bevölkerung dazu.

Nachdem wir wieder etwas zu Atem gekommen sind geht’s weiter und vor allem wird es noch viel beklemmender. An manchen Stellen fragen wir uns tatsächlich, ob der liebe Guide uns verarschen will…nein will er nicht, er zeigt uns nur den Alltag hier drin. Wir rutschen durch schmale Schächte aus losem Sand und Geröll in die Tiefe, nicht breiter als der Umfang eines Gullideckels und müssen dort später auch wieder hochkriechen. An anderen Abschnitten geht es nur kriechend vorwärts, sogar unser kleiner Rucksack muss vorneweg geschoben werden, so schmal ist der Durchgang. Hier und da ein kleiner Balanceakt auf einem Balken über 7m Abgrund oder Abseilen an besonders steilen Kanten bleibt uns auch nicht erspart. Immer wieder treffen wir auf Arbeiter und schauen ihnen eine Weile bei der schweißtreibenden Arbeit zu. Wir beobachten zwei Mineros beim Bohren von Löchern fürs Dynamit, da kommt unser Geschenk grad gelegen. Einmal schalten wir alle Helmlampen aus und es wird klar, kein Licht bedeutet Tod hier drin, denn es ist das dunkelste Schwarz was man sich nur vorstellen kann…die Stimmung ist gedrückt, eine Mischung aus Adrenalin und purer Fassungslosigkeit.

Nach guten 2,5 Stunden kehren wir gebeutelt und geflasht an die Oberfläche zurück und sind wirklich froh darüber. Die Augen müssen sich erstmal wieder an das gleißende Sonnenlicht gewöhnen. Wir sind froh wieder draußen zu sein!

Wir sind zu tiefst beeindruckt und traurig, unter welchen Umständen, Bedingungen und Gefahren die Menschen hier ihren Lebensunterhalt bestreiten. Für viele der Stadbewohner ist dies die einzige und beste Option Geld zu verdienen, es ist Fluch und Segen zu gleich. Die Einheimischen sagen: „Wir essen den Berg und der Berg isst uns.“ Zudem bringt es zusätzlich ein paar Tourismuseinnahmen. Allein die Tatsache, 12 Stunden keine Nahrung zu sich zu nehmen bei dieser extremen körperlichen Arbeit, ist unvorstellbar… Dagegen würde man vermutlich jeden noch so harten und gefährlichen Job in Deutschland mit Kusshand annehmen. Irgendwann wird wohl der Tag kommen, an dem entweder der Abbau im Cerro Rico verboten wird oder der ganze Berg wie ein Kartenhaus zusammenstürzt und viele Menschen unter sich begraben wird. Wir hoffen inständig auf Ersteres. Doch was auch passiert, es wäre ein schweres Schicksal für Potosi…

Wir hatten übrigens eine Nacht in Potosí verlängert, da es in der Stadt bunt hergehen soll aufgrund des Kirchenfeiertags der Heiligen drei Könige. Schon am Sonntagvormittag hatten wir viele gesehen, die ihr Jesus-Krippenkind zum Weihen mit in die Kirche nahmen. Nachdem wir uns nach Rückkehr in der Stadt der Minenausrüstung entledigt haben, entscheiden wir uns zu Fuss zum Hotel zurück zu gehen. Auf dem Weg treffen wir bereits eine feiernde Horde mit Musik, Tanz, Speis, Trank und vielen Blumen. Wir gönnen uns erstmal ein leckeres Bratenbrötchen und schauen als einzige Touristen dem Treiben eine Weile zu. Man bietet uns Chicha an und wir trinken alle aus dem gleichen Becher. Salut!

Als wir am Nachmittag nach langer und ausgiebiger Dusche und Rast das Hotel wieder in Richtung Hauptplatz verlassen, ist der ganze „Spuk“ leider schon vorbei und es wird bereits aufgeräumt. Da hätten wir doch etwas mehr erwartet. Egal, wir hätten nach dem anstrengenden Minenbesuch ohnehin heute keine Lust mehr gehabt in die nächste Stadt weiter zu fahren. So besichtigen wir doch noch die riesige Kathedrale, die am Vortag geschlossen war. Vom Kirchturm hat man einen tollen Blick über die Stadt und natürlich auch auf den Cerro Rico.

Wir finden etwas abseits des Zentrums einen Grillmeister, der eine Schweinehälfte nach der anderen vom Feuer holt. Für Takeaway oder zum dort essen die Locals kaufen Portionen für die ganze Familie. Da können wir natürlich nicht widerstehen und nehmen eine „kleine“ Portion knuspriges Chicharron mit. Der restliche Abend verläuft dann ganz entspannt, bevor wir am nächsten Morgen Richtung Sucre aufbrechen.