Bolivianischer Amazonas

Wir setzen unsere Tour im Dschungel im Maididi Nationalpark fort

https://youtu.be/8OHmDv8K_FY

Zurück in der Zivilisation nach nur 3 Tagen ohne Möglichkeit etwas einzukaufen fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Wir laufen noch schnell durch den Ort, kaufen einen Snack beim sensationellen, französischen Bäcker und GANZ WICHTIG decken uns mit neuem, hoffentlich wirksamerem Mückenspray ein. Dann treffen wir unseren neuen Gastgeber und Guide Walter. Wir finden es lustig, dass hier so viele deutsche Namen haben, aber haben bis heute nicht rausfinden können warum das so ist. Walter bringt uns zu seinem Holzboot unten am Rio Beni und fährt uns zu seiner Hütte in der indigenen Gemeinschaft im Amazonas. Die Fahrt führt flussaufwärts eine Stunde zum Sonnenuntergang auf dem breiten Rio Beni. Geschickt manövriert er das Boot entgegen der starken Strömung und weicht entgegenkommenden Baumstämmen und so allem möglichen organischen Treibgut aus. Wir sind die einzigen beiden Passagiere und genießen den frischen Fahrtwind im Gesicht.

Wir legen kurz vor Anbruch der Dunkelheit an und laufen 5 Minuten durch eine kleine Bananenplantage. Walters zu Hause sind ein paar urige Hütten mit externem Gemeinschaftsbad. Hygiene auf der Ablage im „Freiluft-Badezimmer“ wird hier ganz groß geschrieben! 😂

Uns reicht es aber allemal und immerhin gibt’s hier im Dschungel fließendes Wasser. Ein paar Hühner und Küken laufen herum, Hund und Katze fehlen auf dem gemütlichen Grundstück in der Natur natürlich auch nicht. Unser Zimmer gefällt uns richtig gut und ist mit einfachsten Naturmaterialien gebaut. Es gibt ein Mückennetz, das hoffentlich auch vor anderen Krabbeltieren schützt. Mücken gibt es zum Glück deutlich weniger hier.

Vor der Tür sind zwei große Hängematten aufgespannt, die zum Entspannen einladen, und wir kommen nach dem Abendessen mit unserer einzigen Nachbarin ins Gespräch. Romana besitzt eine Bio-Gemüsefarm in Slovenien und wird heute Nacht mit Walter bei einem Schamanen im Dschungel eine Ayahuasca-Zeremonie machen. Sie und Walter haben deshalb beim Abendessen heute gefehlt. Damit unsere Nachtwanderung jedoch nicht ausfällt, vertritt ein Freund unseren Gastgeber. Seine Ankunft müssen die beiden erstmal ausgiebig mit dem Kauen von Cocablättern zelebrieren und Romana wird schon ganz ungeduldig. Doch dann geht es endlich los. Waldemar spricht kein Englisch und so stapfen wir ihm mit Taschenlampen bewaffnet überwiegend schweigend hinterher. Der kleine Trampelpfad führt hinter Walters Haus direkt in den Dschungel. Wir überqueren ein paar kleine Bäche und laufen am Ende entlang des Flussufers. Wir sehen recht wenige Tiere, außer eine ziemlich beeindruckende Tarantel unweit unserer Hütte. Den Amazonas im Dunkeln zu erleben, schweigend Schritt für Schritt uns weiter vorzutasten, ist ein tolles Erlebnis. Wir verweilen kurz auf einem Baumstamm und ohne Licht beobachten wir den Sternenhimmel und lauschen den Geräuschen des Dschungels. Aus der geplanten Stunde Nachtwanderung werden 2 und wir kommen erst um 22:30 Uhr völlig erschöpft wieder zurück. Mit Taschenlampe bewaffnet springen wir noch schnell unter die Dusche und putzen Zähne, denn Licht gibt es jetzt keins mehr. Dann gehen wir mit den Geräuschen des Dschungels schlafen.

Am frühen Morgen ist die Temperatur noch angenehm und wir machen uns frisch. Walters Frau bereitet ein richtiges „Katerfrühstück“ zu. Besonders glücklich darüber ist Romana, die ja gestern nichts essen durfte. Wir futtern uns kugelrund an einer Art bolivianischen „Shakshuka“ und noch heißen Empanadas mit Käsefüllung. Wir fragen sie und Walter zu ihrem „Trip“ aus. Für alle die nicht wissen was Ayahuasca ist: Eine Zeremonie zur Reinigung des Geistes, die traditionell von einem Shamanen an einem ruhigen Ort durchgeführt wird. Durch das Trinken eines Gebräus aus verschiedenen Pflanzen, meist Lianen, verfallen die Teilnehmer in eine Art Trancezustand. Nicht selten sind die Nebenwirkungen Erbrechen und Durchfall, doch wenn man im Vorfeld vorbereitend auf Medikamente, Rauchen, Zucker, Fleisch etc. verzichtet, soll es nicht so übel ausfallen. Wir hatten schon vorher von einigen Reisenden gehört, die positiv davon berichteten. Walter hatte das Ritual auch mal wieder mitgemacht und nur eine kurze Nacht gehabt. Die beiden scheinen aber recht fit und energetisch zu sein. Walter setzt sich zu uns und berichtet, dass seine Frau lange alkoholabhängig war doch durch einige Sitzungen Ayahuasca geheilt werden konnte und nun trocken ist. Es fällt uns schwer vorzustellen, wie das funktionieren soll, sich und sein Leben von „oben“ zu betrachten und neue Wege durch so ein Ritual aufgezeigt zu bekommen. Wir sind jedoch noch neugieriger geworden und werden dies bestimmt auch irgendwann mal ausprobieren!

Heute wandern wir vier durch den Maididi Nationalpark. Direkt hinter dem Haus starten wir erstmal auf dem gleichen Weg wie gestern Abend. Die Tarantel ist nicht zu sehen, jedoch zeigt uns Walter ein anderes Prachtexemplar am Wegesrand. Er lockt die aus ihrem dicken, weißen Kokon und wir können sie richtig in Aktion sehen. Als er sie anpustet stellt sie sich angriffslustig auf und zeigt ihre „Zähne“. Der Versuch sie nach der Showeinlage wieder in den Kokon zu locken scheitert. Damit sie nicht vom nächsten Vogel gefressen wird, stellt er zum Schutz ein großes Bananenblatt auf.

Wir laufen weiter und unter einem Kakaobaum sitzt eine uralte, freundliche Bolivianerin. Mühselig hatte sie ein paar reife Kakaofrüchte vom Baum geholt und kaut nun das Fruchtfleich von den Bohnen. Sie bietet uns eine Frucht an und die abgelutschten Kerne spucken wir wie sie in eine Schale. Nach dem Trocknen der Kakaobohnen wird sie Schokolade herstellen und sie nach Rurrenabaque verkaufen.

Der Amazonas beheimatet einige faszinierende Pflanzen und Bäume. Walter teilt sein ganzes Wissen über die Natur mit uns und wir sind begeistert vom Einfallsreichtum einiger Arten. Der „Curare tree“ oder in der indigenen Bezeichnung „Solimang“ hat einen Stamm mit tausend kleinen Stacheln. Wenn man den Stamm einritzt, tritt weißer hochgiftiger Saft aus, mit dem zum Beispiel Pfeilspitzen fürs Jagen getränkt werden. Auch um einen Menschen zu töten braucht man nicht viel der Flüssigkeit.

Der „walking tree“ hat ebenso ein interessantes Konzept. Zum Überleben im dichten Dschungel ist Licht ein entscheidender Faktor. Daher bildet dieser Baum Seitenstämme bzw. Beine mit denen er seine Position im Laufe der Jahre ändern kann, alte Beine sterben dann ab und die neuen „laufen“ zum Licht.

Der „ficus tree“ bzw. die Würgefeige setzt als Schmarotzer eher auf die Basis andere Bäume. Unter günstigen Bedingungen keimt eine Saat in der Krone und bildet über Jahre Wurzeln nach unten, die den Wirtsbaum langsam aber sicher erdrosseln. Wenn der Baum abstirbt sind die Stämme der Würgefeige stark genug alleine zu stehen und es lässt sich erahnen, wo der alte Baumstamm des Wirts einmal war.

Walter zweigt uns ein Gewächs, dessen Blätter getrocknet wie Tabak geraucht werden können. Ein Stückchen weiter zieht er hauchdünne, pergamentähnliche Stücke an einem Baumstamm ab. Man findet also sogar alles zum Rauchen im Urwald und wem das noch nicht reicht, der kann sich noch die feinen, staubigen Spitzen eines Pilzes mit in die „Tüte“ drehen. Wir sind aber keine Raucher und probieren daher nur einige und unbekannte Beeren und die kleine Dschungelkokosnuss.

Dieser Baum ist quasi ein riesiger Wassertank. Würde man den Stamm einstechen, würde er frisches Trinkwasser zur Verfügung stellen. Verschließt man das Loch nicht, läuft er aus und stirbt. Wir klopfen ihn also nur an und „hören“ das Wasser im dicken, bauchigen Stamm.

Nach einer langen Wanderung mit teils herrlichem Ausblick über den Amazonas und dem Schwingen an Lianen wie Tarzan kommen wir an den Fluss zurück. Es ist mittlerweile Mittag, es ist heiß und schwül und wir sind klatschnass geschwitzt. Es wird also Zeit für ein erfrischendes Bad im Fluss bevor wir zum Mittagessen zurück nach Hause laufen.

Walters Frau hat wieder ausgiebig gekocht und besonders gut schmeckt uns der Bohnensalat. Dann heißt es leider schon wieder Taschen packen und wir gönnen uns noch einen kleinen Powernap in der Hängematte. Gern wären wir noch etwas länger an diesem schönen Ort verweilt…aber viel länger hätten wir nicht bleiben können, da uns der Flug ab Lima bereits im Nacken sitzt und es noch ein weiter Weg zurück nach Peru ist.

Bevor wir noch ein Stückchen mit dem Boot flussaufwärts fahren, besuchen wir Walters kleine Dorf. Die Kinder sind heute schon fertig mit der Schule, aber wir schauen in die kleinen Häuschen hinein, die in einer Reihe gebaut sind. Die Klassenräume sind spärlich ausgestattet mit nur einer kleinen Tafel und richtigen oldschool Schreibtischen. Gerne hätten wir mal zur Schulzeit vorbeigeschaut, aber bei der Mittagshitze ist an Unterricht natürlich nicht zu denken. Auch der Pausenhof, eine große Wiese, ist ganz leer. Aus der Ferne schauen wir uns noch ein paar Holzhütten und aus einfachen Materialen zusammengeschusterte Häuschen an. Das Dorf erstreckt sich über ein paar Kilometer entlang des Rio Beni. Dann heißt es auch schon Abschied nehmen und nach einem Abstecher zur Maididi Ranger Station, an der ein freundlicher blue&gold Ara lebt, geht es zurück nach Rurrenabaque.

Zurück im Hostel haben Pablo und seine Frau die Bar geöffnet. Es ist Happy Hour und wir gönnen uns einen eiskalten Caipirinha. Viel passiert heute nicht mehr, da wir morgen früh ja schon wieder früh raus müssen. Wir genießen den letzten Abend an diesem wunderschönen Fleckchen Erde!

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