La Paz
Ein Ausfug auf schwindelerregende Höhe
Es ist wieder etwas kühler hier in La Paz, da wir nun wieder auf 3800 Höhenmetern sind. In der Sonne kann es richtig warm werden und Sonnencreme ist bei der Höhe Pflicht, da man sich leicht verbrennt. Im Schatten wird es schnell kühl, wir ziehen also beim Erkunden der Stadt ständig die Jacke an und aus. Wir kommen erst am Spätnachmittag in La Paz an und, da wir im Bus heute nur gesnackt haben, gehen wir nach dem Checkin gleich auf Restaurantsuche. Die Lage des vintage Hostels ist perfekt und viele Sehenswürdigkeiten sind direkt um die Ecke. Wir laufen steil bergauf die Straße hoch und schnaufen schwer, weil uns der Sauerstoff ausgeht. Es wird bereits etwas kühl und so finden wir schließlich einen Suppenladen. Leider eine der bisher schlechtesten Suppen auf der Reise und was ist eigentlich dieses schwarze, komische Zeug das wie 💩 aussieht? Wir fischen es aus der Suppe und keiner von uns beiden möchte es probieren. Dafür sehen die Brötchen hier umso besser aus. Gegen Abend stehen Frauen mit riesigen Körben an jeder Straßenecke und wenn man Glück hat sind sie sogar noch warm. Die besten Brötchen, die wir auf der bisherigen Reise finden konnten und schmecken so gut wie vom guten Bäcker in Deutschland!
Nachdem wir am nächsten Tag die „Iglesia San Francisco“ und das Regierungsviertel besucht haben, laufen wir zu einem Aussichtspunkt hoch. Von hier kann man die Dimensionen der Stadt erkennen und wir bestaunen die vielen Seilbahnen.
Zurück in der Stadt ist Simon ziemlich platt, die Höhe macht ihm diesmal ganz schön zu schaffen. Simon legt sich ab und Ulrike checkt ein schnuckeliges, veganes Restaurant namens Namaste ab. Hier gibt es ein leckeres Mittagsmenü. Auf dem Rückweg geht es dann in der Apotheke vorbei, um Simon ein paar Sorojchi Pillen gegen die Höhenkrankheit zu besorgen. Die Locals schwören auf die darin enthaltene Mischung aus Aspirin und Koffein. Später geht es ihm schon etwas besser, sodass wir noch zum „Witches Market“ und ins Cocamuseum um die Ecke laufen. Der Markt hat uns, obwohl es eine DER Sehenswürdigkeiten sein soll, nicht überzeugt. Wir hatten ja bereits ein wenig über kuriose Bräuche der indigenen Bevölkerung geschrieben und auf diesem Markt kann man eben alles Mögliche an Hokuspokus kaufen. Es sind dort mittlerweile jedoch mehr Souvenirläden als Kräuterhexenläden…schade! Selbst in Arequipa oder Sucre war die Sektion auf dem normalen Markt größer und vielfältiger als hier…erst dachten wir sogar wir wären in der falschen Straße. Dafür beeindruckt uns das Cocamuseum umso mehr! Am Eingang wird uns eine Lektüre ausgeteilt, die die Informationstafeln in Deutsch übersetzt. Die kleine Ausstellung auf geschätzten 30qm besteht aus liebevoll zusammengetragenen Informationen über die uralte Kultur von Coca, Konsum, Bräuchen und Wirkungsweise des Cocablätterkauens, die Entdeckung von Kokain und die verheerenden Auswirkungen des weltweiten Kokainhandels. Hier ein paar Facts, die ihr vielleicht nicht kanntet:
• Die indigene Bevölkerung macht seit mehr als 8000 Jahren Gebrauch von Coca und Coca ist fest verwurzelt in der Gestellschaft und Bräuchen. Ohne Cocablätter wird kein Geschäft oder Vertrag geschlossen, beim Vater um die Hand der Tochter ohne Coca anhalten ist undenkbar, Konflikte werden mit Coca besänftigt…Coca umfasst einfach ALLE sozialen Aktivitäten und wird als Zeichen des guten Willens gesehen.
• Coca ist ein Symbol der indigenen Identität. Cokakauen gehört zur guten Manier und wer kein Coca kaut wird als antisozial oder Fremder der Gemeinde betrachtet. Es ist einfach nicht aus der Gesellschaft wegzudenken.
• Wusstet ihr das man neben anderen spirituellen Ritualen sogar Cocalesen betreibt, ähnlich wie Kaffesatz lesen?
• Durch die Ausweitung der Sklavenarbeit in den Silberminen von Potosí und die damit verbundene Wichtigkeit von Cocakauen, waren Cocablätter damals sogar als Währung anerkannt.
• Mit der Entdeckung von Kokain als Betäubungsmittel und „Wunderdroge“ im 19 Jahrhundert blüht das Geschäft jedoch erst richtig auf. Cokainprodukte wie Marianiwein und Coca Cola werden weltberühmt.
• 1961: Der Gebrauch von Kokain und Cocablättern wird weltweit verboten, nur Coca Cola darf sein Monopol behalten und Coca weiterhin als „Geschmacksverstärker“ benutzen. In Coca Cola ist natürlich kein Kokain enthalten, jedoch verarbeitete das Monopolunternehmen im Jahr 1995 zB noch 204 Tonnen Coca.
• Coca ist gesund! Bereits 100g Coca decken mehr als den täglichen Bedarf vieler Nährstoffe und Vitamine! Hier ein Überblick:
• Benutzt man beim Kauen eine alkalische Substanz, im bolivianischen Amazonasgebiet z.B. Palmaasche und ein Stück Baumrinde, können 90% der Nährstoffe aufgenommen werden.
• Cocakauen macht nicht abhängig und kann sogar Krankheiten vorbeugen; verhindert unter anderem Darmkrebs und Demenz, reguliert den Zuckerstoffwechsel und kann Fettleibigkeit vorbeugen.
• Bolivien als „Verantwortlicher für das Drogenproblem“ gibt nach dem kalten Krieg dem Druck der USA und UNO nach und verabschiedet Antidrogengesetze, die die Ausrottung des nun illegalen Anbaus erwirken sollen. Stellt euch mal die Frage wer nun den Handel kontrolliert und ob das „Problem“ nun an der „Wurzel“ gepackt wurde. Der Anbau von Mohn, aus dem Opium und Heroin hergestellt wird, ist in ganz Europa legal. Bahnen nicht erst die Antidrogengesetze den Weg für illegale Geschäfte? Es gibt viele Kritiker, die eine Legalisierung anstreben.
• Die USA sind mit knapp 50% und rund 40 Milliarden US$ pro Jahr Hauptkonsument von Kokain. Die Erzeuger und damit auch bolivianischen Bauern verdienen an diesem Geschäft jedoch im Verhältnis kaum. Sobald 1kg Kokain (ca. 3000$) das Herstellungsland verlässt, steigt der Wert um das 10-fache und um das 50-fache sobald es Europa erreicht. Je nach Reinheitsgrad kostet das Kilo nun ca 100.000$! (Wir sparen uns an dieser Stelle Informationen zu Kartellen, der Mafia, Gewalt, Korruption und Terrorismus…ein ganz spannendes Thema, dass wir hier nicht vertiefen wollen, da es sonst den Blog sprengen würde! 😂)
• Und für alle die nun in dieses lukrative Geschäft einsteigen möchten noch ein paar Rezepte! 😜
In La Paz geht es am nächsten Tag steil hinauf – wir wechseln das Transportmittel und fahren mit dem „Teleferico“, ein Seilbahnsystem das La Paz vernetzt und sogar bis nach El Alto führt. Schon gestern hatten wir die vielen Seilbahnen vom Aussichtspunkt über die Stadt fliegen sehen. Vom „Tal“ in der Innenstadt nehmen wir die lila Linie, die uns bestimmt 400m steil hinauf führt und eine atemberaubende Sicht über La Paz bietet. Die Einheimischen neben uns im Wagon verstehen unsere ganze Aufregung sicher nicht, denn für sie ist es wie bei uns jeden Tag Busfahren. Erbaut von Schweizern ist dies ein ganz elegantes und superschnelles Fortbewegungsmittel in der Stadt, dem trotz ein wenig Ruckeln auch Simon schließlich auch vertraut.
Wir hatten bereits ein Kombiticket gekauft und wechseln in die graue Linie, die uns entlang der Bergkante fährt. Schon bald entdecken wir von oben die ersten Marktstände. Unser heutiges Ziel ist der „Mercado 16 de Julio“, der größte Markt Boliviens. Und wir können euch sagen es ist der größte Markt, den wir jemals gesehen haben…da kann selbst Bangkok einpacken. Man findet hier ALLES, von Lebensmitteln, Drogerieartikeln, Kleidung, Elektrowaren über Autoersatzteilen usw. Als wir später noch mit der blauen Linie bis nach El Alto fahren, erkennen wir erst aus der Vogelperspektive das gesamte Ausmaß des Marktes, der sich über hunderte Straßen erstreckt. Wir sind ein paar Stunden drüber gelaufen, aber haben bei Weitem nicht alles gesehen.
Zur Mittagszeit sitzen wir beengt neben ein paar Locals und schlürfen eine „Sopa de Mani“, traditionell Bolivianische Erdnussuppe.
Ulrike ist ganz begeistert von den Kleidern der indigenen Frauen, die in Peru und Bolivien „Cholitas“ genannt werden. Heute haben sich viele für den Donnerstagsmarkt besonders hübsch herausgeputzt und tragen feine Stoffe und verzierte Söckchen. Da es echt blöd ist Leute auf der Straße abzulichten, haben wir nur heimlich ein paar Fotos von hinten gemacht. So könnt ihr aber zumindest auch die traditionellen langen Zöpfe der Cholitas sehen. Leider haben wir es nicht mehr ins Cholita-Museum geschafft und hier noch etwas mehr über die traditionelle Bekleidung gelernt. Auf den ersten Blick sieht das Outfit nämlich ziemlich gleich aus, es gibt jedoch feine Unterschiede. So gibt Form und Tragen der Hüte zum Beispiel Aufschluss über den Familienstand und Rang in der Gesellschaft. Ach, und wusstet ihr das die Cholitas sogar eine eigene Wrestlingszene haben? Sich ein Match anzuschauen steht bestimmt auf der To-Do-Liste der nächsten Reise nach Bolivien. Simon besorgt sich noch Cocablätter zum Kauen, denn auch die helfen gegen die Symptome der Höhenkrankheit.
Den Rest des Tages machen wir noch ein paar Erledigungen. Simon versucht Equipment für die GoPro nachzukaufen und läuft auf der Suche nach einer Schraube für die Befestigung am Helm quer durch die Stadt. Ulrike lässt sich in der Friseurstraße um die Ecke „die Spitzen“ schneiden, doch die Haare werden leider viiiiel zu kurz. Das hat bisher jeder 2 EUR Friseur auf der bisherigen Weltreise besser hingekriegt…hmpf das kann jetzt mal schön wieder ein Jahr nachwachsen! Wir recherchieren am Abend noch einiges und buchen Hotel und einen Flug mit Amazonas, da wir davon ausgehen die nächsten Tage sehr schlechtes oder kein Internet im Dschungel zu haben. Dann packen wir unseren Rucksack, denn morgen früh werden wir bereits um 7 Uhr mit ganzem Gepäck abgeholt. Simon ist total entspannt, aber Ulrike kann vor Aufregung kaum schlafen…morgen fahren wir mit dem Mountainbike die Death Road!