Colca Canyon / Cabanaconde
3 Tage Trekking in einem der tiefsten und spektakulären Canyons der Welt
Wir nehmen die öffentlichen Verkehrsmittel zum Colca Canyon, aber lassen uns zunächst per Taxi zur Collectivostation kutschieren. Im recht geräumigen Minivan geht es durch das „Salinas y Aguada Blanca National Reserve“ und wunderschöne Pampa Hochland. In der unendlichen Weite grasen Lama und Alpaka Herden. Wir sehen auch die seltenen und einst wegen der besten Wolle gejagten Vikuñas, wovon 80% in Peru leben. Dank klarem Wetter ist der Blick auf den 6000m Sabancaya Vulkan, einer der am stärksten aktiven Vulkane Perus, frei und wir sehen natürlich auch die Vulkane Misti und Co aus anderer Petspektive.
Nach etwas über 3 kurvenreichen Stunden durch feinstes Gebirgspanorama erreichen wir den Ort Chivay, einem Zwischenstopp bei dem wir umsteigen müssen. Trotz etlicher Schalter im Busterminal, gibt es sonntags nur wenige Optionen zu unserem Ziel, die nächstmögliche soll erst 2,5 Stunden später fahren. Damit geben wir uns aber nicht zufrieden und wie das hier so in Peru ist, gibt es oft noch eine Alternative zu den offiziellen Verbindungen. Ulrike geht aus dem Terminal raus und findet auf Anhieb ein Collectivo nach Cabanaconde, welches zeitnah los will und noch 2 Plätze „frei“ hat. Was ein Glück!…denken wir jetzt noch. Zunächst wird der Microvan im Tetrisstyle so mit Mensch und Material vollgestopft, dass wahrscheinlich das dreifache der zulässigen Achslast erreicht wird. Aber das kennen wir bereits, sind ja nicht in Deutschland, passt. Nach ca. der Hälfte der insgesamt 90 minütigen Fahrt, geht die Karre nach kurzem ruckeln beim Anstieg plötzlich aus. Hat da wohl jemand vergessen zu tanken? Den Schuh muss sich wohl unsere struwwellige Fahrerin anziehen. Ok, shit happens! Da wir gerade ca. einen Kilometer vom letzten Miniaturdorf bergauf gefahren sind, können wir uns nun die physikalischen Gesetze der Schwerkraft zunutze machen und wie Familie Geröllheimer zurück rollen. An der ersten Hütte halten wir dann am Straßenrand. Unsere Fahrerin, wir nennen sie mal „Betty Geröllheimer“, steigt aus und kommuniziert mit einer Anwohnerin. Kurze Zeit später kommt sie mit einer halbvollen Plastikflasche an, mit scheinbar undefinierbarem Inhalt. Nach Geruchsanalyse durch Betty und dem peruanischen Beifahrer, scheint es jedoch nicht als Treibstoff in Frage zu kommen. Nun klappert Betty ein paar weitere Hütten ab, bis sie schließlich in ein Auto einsteigt, welches aus dem 4-Häuser-Dorf raus fährt. Wir gehen natürlich davon aus, dass sie irgendwo Sprit holt und hoffen das es nicht zu lang dauert. Die Zeit verbringen wir damit, das traumhafte Gebirgspanorama zu bewundern…es gibt definitiv schlechtere Orte liegen zu bleiben! 😜
Gute 20 Minuten später kommt Betty endlich zurück und zwar mit der beachtlichen Menge von ca. 1,5 Liter Benzin in ner Plastikflasche…ernsthaft??? Die Hoffnung, dass nach dem zuvor erfolglos erklimmten Hügel dann eine Tankstelle erscheint, stirbt recht schnell. Keine 10 km später lässt das dezente Ruckeln ahnen, was nun folgt -> Geröllheimergang ein, Berg runter rollen, links ins nächte Dorf. Jetzt ist die Stimmung bei allen Fahrgästen ziemlich unten. Betty geht erneut auf Dorfexpedition, um die rare Flüssigkeit aufzutreiben. Zum Glück ist in einem kleinen Hostel zumindest ein WC und Nervenkrafstoff in Gorm von Schokoladenbrioche und Riesenpopcorn erhältlich, ist aber jetzt auch bitter nötig. Betty scheint bisher noch keinen Erfolg zu haben. Die Überlegung hier nun auszusteigen und zu trampen wird unterbrochen, als zufällig ein Collectivo ins Dorf einfährt und einen Fahrgast raus lässt. Betty eilt zum Taxi und diskutiert kurz mit dem Kollegen. Sie macht einen Deal, dass er den restlichen Weg übernimmt und sie teilen sich wohl die Kohle für die Fahrt.
Endlich in Cabanaconde, dem kleinen Bergdorf und Einstiegsort für den Trek auf 3300m Höhe, steigen wir bei unserem gebuchten Hostel aus. Recht schnell wird klar, dass die am besten bewertete Unterkunft fest in französischer Hand ist, Angestellte wie auch Gäste. Wir möchten ganz klar nicht alle über einen Kamm scheren und es gibt sicher auch angenehme Franzosen, aber es ist nun mal Fakt das 90% aller reisenden Franzosen die wir unterwegs „wahr nehmen“ dürfen, ziemlich laut, rücksichtslos, arrogant, übercool und rüpelhaft sind, das muss man einfach mal so sagen und das finden übrigens auch die meisten anderen Reisenden, außer sie sind Franzosen. 🤣 So reihen sie sich recht weit vorne in unsere Blacklist zu den Chinesen und Russen ein. Jedenfalls sind wir nicht so begeistert von der recht teuren Unterkunft, da wir weder die erwarteten detaillierten Infos zum Trek oder Bus bekommen, noch der Service überragend ist, was laut Internetrecherche hier der Fall sein soll und Zimmer eher in die Kategorie „geht so“ fallen. Auch das Frühstück fällt bei uns komischerweise weniger üppig aus als bei den französischen Tischnachbarn. Versehen oder haben wir den falschen Pass? 😅 Zumindest können wir hier unsere großen Backpacks einlagern und egal wir wollen hiken! Und zwar wie so oft, alleine und auf eigene Faust. Es gibt mehr als genügend komplett durchorganisierte Touren mit Guide ab z.B. Arequipa, aber das is nix für uns. Bewaffnet mit dem Nötigsten für 3 Tage, ausreichend Wasser und geliehenen Wanderstöcken, brechen wir in der Frühe auf zum Colca Canyon – der 2. tiefsten Schlucht der Welt! Der Einstieg ist bereits nach ca. 700m erreicht und man wird direkt mal von der epochalen Aussicht in beide Richtungen der riesigen Schlucht geflasht. Ein Kontrolleur gibt kurze Infos, schießt ein Foto als wir noch ganz frisch aussehen und kontrolliert den ca. 20 Euro teuren Colca Eintrittspass.
Den ersten Tag geht’s eigentlich nur abwärts, um genau zu sagen 1300m. Der Untergrund besteht aus Geröll, Sand und Naturstufen. Schnell merken wir, dass die Investition in Wanderstöcke Goldwert ist, denn sie bieten guten Halt im rutschigen Gefälle und entlasten die Beine. Die ersten 4km sind trotz der spürbar dünnen Luft recht schnell und easy überwunden. Man ist zudem sehr mit der traumhaften, weitläufigen Landschaft beschäftigt. Ab der Hälfte des Weges wird es dann aber doch langsam anstrengend. Beine und Füsse kennen diese Belastung einfach nicht und die Sonne gibt ihr Bestes den Wanderern den Schweiss aus allen Poren zu extrahieren.
Die letzten drei durch Felsmalerei angepriesenen Kilometer sind eher Meilen. Es zieht sich wie Kaugummi und es ist kein Ende in Sicht. Wir kommen „unten“ an und überqueren endlich den großen Fluss mit sprudelndem und zischenden Geysir.
Nach weiteren Hügeln, Brücken und Schattenpausen ist die einzige Lodge in Llahuar dann endlich in Sichtweite. Nach dem Check-in im Hauptgebäude, wieder zig Steinstufen zu unserer Hütte am Fluss, aber dann endlich, we made it!! Wir haben echt Glück mit der Hütte, erste Reihe mit Rasen, Sitzgelegenheit und Sonnenschirm, da kommt richtiges Campingplatzfeeling auf.
Nach einer Dusche im Gemeinschaftsbad mit nur wenig Privatsphäre wegen halbdurchsichtigen Bambusmatten und Panoramablick auf den Fluss, gibt es ein deftiges Sandwich. Die Auswahl an Essen ist extrem beschränkt wegen der Abgeschiedenheit und auch das Abendessen müssen wir bereits wählen. Nun geht es in die hauseigenen Pools, die durch natürliche warme vulkanische Quellen gespeist werden. Genau das Richtige für die müden Glieder. Die zahlreichen Franzosen, die sich lautstark ohne Punkt und Komma unterhalten, können wir dabei einigermaßen ausblenden. Nach einem erstaunlich guten Abendessen, Quinoa mit Käse und Reis, fallen wir äußerst geplättet in die Kiste und träumen von Bergen und Schotterpisten.
Tag zwei startet wie geplant sehr früh, da wir nicht in der prallen Mittagssonne wandern wollen. Das erste Gefühl, dass beim Aufstehen durch den Körper zuckt, ist Schmerz von unten. Sind wir in eine Bärenfalle getreten? Nein, es sind die Waden…selten so einen Muskelkater gehabt…1300m abwärts auf unebenem Weg ist eine neue Grenzerfahrung für jede einzelne Muskelfaser und Sehne der unteren Gliedmaßen. Schritt für Schritt wird das Leid mit steigender Betriebstemperatur zum Glück besser. Nach einem kohlenhydratreichen Frühstück in Form von Pfannenkuchen mit Erdbeermarmelade geht’s wieder auf den Trail. Vorbei an Kaktuswäldern, kleinen Bergdörfern und unberührter Natur geht es nach ca. 700m bergauf erstmal wieder ein ganzes Stück gerade aus, was richtig gut tut. Ebenso freuen wir uns sehr über den Wokenteppich, der uns vor dem heftigen Beschuss der Höhensonne schützt.
Unser Tagesziel, die Oase Sangalle, ist bereits in Sichtweite! Die Sache ist nur…sie liegt 600m unter uns, also alles wieder runter. 😏 Wir entscheiden uns für den steileren, aber etwas kürzen Weg nach unten. Wir durchqueren ein großes Terassenfeld und kämpfen uns zuletzt zig Stein- und Geröllserpentinen herunter. Die Pools und grünen Gärten der Unterkünfte sind schon von weiter oben zu erkennen und geben ansporn den restlichen Weg nicht zu verenden.
Einen Wasserfall später, der aus dem Canyon fließt und rundherum alles begrünt, eine Brücke über den tosenden Fluss, noch ein paar Stufen hinauf und dann stehen wir endlich in der Oase.
…nur eine Unterkunft haben wir noch nicht. Die Auswahl ist überschaubar, einige Unterkünfte wurden aber im Vorfeld schon favorisiert bzw. ausgeschlossen. Diese dann noch zu finden und zuzuordnen ist wieder eine andere Sache. Die zweite Bleibe mit schöner Gartenanlage haben wir schon bezogen, bis wir fest stellen, dass der Restaurantbereich ziemlich siffig und praktisch kein Service vorhanden ist. Simon sammelt seine letzten Kräfte und geistert durch die Oase auf der Suche nach einer besseren Option, Ulrike wartet im Zimmer beim Gepäck. Nach ca. 20 min. findet er recht abgelegen ein nettes Domizil, dort passt alles und ist zudem noch günstiger. Nochmal zurück um Gerümpel und Ulrike zu holen, schleichen wir uns unbemerkt aus der Anlage und beziehen die Neue. 🙈 Völlig unterzuckert gibts erstmal einen ordentlichen Lunch. Die Auswahl an Essen ist sehr begrenzt, da alles per Esel hier runterkommen muss, aber das Restaurant zaubert mit einfachsten Zutaten wie bereits gestern Abend ein leckeres 3 Gänge Menu. Der Nachtisch bestand aus Dosenpfirsich im Glas. 😂
Eine heiße Dusche hatten wir gar nicht erwartet! Die „Badezimmer“ sind schön in die Gartenanlage eingebettet, stehen zwischen Blumen und unter Feigen-, Limetten und Avocadobäumen. In unserem Zimmer wohnt ein kleiner Skorpion, den Simon geschickt in der leeren Wasserflasche unten am Fluss aussetzt. Nicht mal nen Skorpion würde er töten… ❤️
Den restlichen Tag lümmeln wir gemütlich rum und schreiben Blog, für den Pool ist es uns leider bereits zu frisch. Den Abend verbringen wir in netter Gesellschaft mit zwei Italienern und ihrem Tourguide.
Auch der nächste Morgen beginnt wieder mit extrem müden Gliedmaßen – kaum vorzustellen das uns heute der anstrengendste Teil des Treks bevorstehen soll – 1100 Höhenmeter bergauf! Schon gestern konnten wir den Weg am Berg von der anderen Seite des Canyons begutachten. Lieber wären wir bei dem herrlichen Sonnenschein am Pool geblieben und hätten die Beine hochgelegt.
Es hilft nix…Also Pfannenkuchen rein, Schuhe an und los. Die Waden brauchen heute länger um wieder warm zu werden, ne halbe Stunde später geht’s dann, auch das Energielevel ist unerwartet hoch…noch. Die Sonne scheint heute wieder mehr, aber die Serpentinen schlängeln sich glücklicherweise auch durch Schattenpassagen. Unerbittlich geht es Meter für Meter bergauf, Naturtreppen, Schotter, Geröll, nach 100 geschafften Kurven, folgen die nächsten Hundert.
Ab der Hälfte der Strecke geht auch unser Akku langsam in den Sparmodus, was nicht zuletzt der wieder dünner werdenden Luft geschuldet ist.
Kleiner Exkurs: Durch die steigende Höhe fällt der Umgebungsdruck ab, ähnlich wie im Flugzeug. Auf Meereshöhe beträgt dieser 1 Bar, alle 1000 Meter reduziert sich dieser dann grob um 0,1 Bar. So ist z.B. auf 5000m Höhe nur noch 0,5 Bar vorhanden, also auch nur die Hälfte an Sauerstoff. Kurz gesagt, verringert sich der Sauerstoffanteil der Atemluft um ca. 10% alle 1000m.
Das merken wir deutlich, denn wir atmen gerad knapp 30% weniger Sauerstoff als sonst ein und das fordert seinen Tribut. Die letzten 400 Höhenmeter werden zur Qual, doch wir setzten eisern Schritt für Schritt zur nächsten Rast. Riegel, Nüsse und hartgekochte Eier, die wir zum Frühstück bestellt hatten, boosten unsere Reserven.
Irgendwann ist der Gipfel greifbar und wenige Meter später stehen wir oben. Hier werden wir noch mal mit einem epischen Ausblick gekürt.
Die restlichen 2 km ins Dorf sind kaum der Rede wert. Kurz noch unsere Backpacks abgeholt und um die Ecke in ein anderes, viel günstigeres und schöneres Hotel eingecheckt. Altbekannt verläuft der restliche Tag mit essen, ausruhen und schlafen. Und wieder einmal bestätigt sich auch unsere Erfahrung, niemals in Touristenrestaurants essen zu gehen, es ist meist unterirdisch schlecht und überirdisch teuer. Wir gönnen uns nach dem Mittagessen in einem kleinen lokalen Restaurant erstmal ein leckeres Eis…und Schokolade…und Kekse! 😂
Obwohl die malträtierten Beine nicht wollen, müssen wir einen Tag später wieder zurück nach Arequipa für den Nachtbus nach Cusco. Leider scheint es bis auf einen 60$ teuren Touribus, keine direkte Verbindung nach Puno zu geben. Wir überspringen den Grenzort am Titicacasee also zunächst und fahren gleich durch nach Cusco.
Vorher wollen wir aber noch einen Abstecher zum „Cruz del Condor“ machen. Hier hat man gute Chancen um 8 Uhr morgens riesig Condore zu beobachten, die sich mit der aufsteigenden Thermik die Schlucht hochgleiten lassen. Auf den extrem überteuerten Touristenbus haben wir verzichtet und so stehen wir vor 7 Uhr im völligst überladenen, ersten local Bus, in dem die Dorfbewohner auf die Felder gekarrt werden. Wir schmunzeln als wir das Schild mit „max. 46 Personas“ sehen, denn das kann man sicher mit 5 multiplizieren. Der Bus schließt nicht etwa die Türen, wenn er „voll“ ist, sondern wenn ALLE drin sind.
Zum Glück dauert die Fahrt in der Schraubzwinge nur 20 min. bis zu unserem Ziel. Pünktlich ergattern wir einen guten Platz auf der Mauer Aussichtsplattform und trinken Tee. Nach wenigen Minuten erscheint schon in der Ferne der erste Condor, drei weitere folgen, für Fotos leider etwas weit weg, aber immerhin wir haben Glück die prächtigen Tiere zu sehen bevor die Tourbusse ab halb 9 eintreffen. Viele sind heute wohl umsonst um 3 Uhr morgens in Arequipa gestartet, um eine Stunde am Cruz del Condor keine weiteren Condore zu sichten, um danach den ganzen Weg wieder zurückzufahren!
Die nächste Challenge ist es, einen Transport nach Chivay zu finden. Nach einigen Absagen bei Bussen und Minivans auf dem Parkplatz finden wir dann ein Taxi, das uns schnell und günstig nach Chivay bringt. Auch hier ist schnell Anschluss gefunden und wir stehen 4 Stunden später in Arequipa. Wir checken unser Großgepäck schon mal für den Nachtbus beim Cruz del Sur Terminal ein und gehen auf unserem Lielingsmarkt in der Stadt nochmal richtig lecker essen. Die restliche Zeit verbringen wir mit dem Besuch der Basilica Cathedral und aus Langeweile einem Pisco Sour auf einer Rooftopbar zum Sonnenuntergang.
Zurück am Busterminal warten wir bis wir endlich den 10 Stunden Nachtbus nach Cusco besteigen können, noch in der Hoffnung so gut wie beim letzten mal schlafen zu können…